Ava Pelnöcker und Michael Schiebinger widmen sich in einem zweiteiligen Online-Gschichtl dem Leben und Wirken von Prof. Dr. Karl Wessely und seinem wichtigen Beitrag für die Anfänge des Museumswesens in Mannersdorf. Die beiden Autoren bedanken sich bei Heribert Schutzbier und Johann Ackerl für die Zurverfügungstellung von Unterlagen und die weitere Unterstützung. Gedankt werden muss auch Karl Tschank, der sich bereits 1996 mit der Biografie Wesselys beschäftigt hatte.
Carl (auch Karl) Johann Joseph Wessely wurde am 27. Juni 1860 in der Wiener Alservorstadt Nr. 111 geboren. Sein Vater Anton Wenzel Wessely war „Ingenieur-Eleve“ der k. k. Staatsbahn und stammte aus Böhmen. Später war er maßgeblich am Bau der Staatsbahn in Bosnien beteiligt. Karl Wesselys Mutter Karoline Morawek kam ebenso aus Böhmen und verstarb bereits in jungen Jahren. 1870 wurde der zehnjährige Karl in das Gymnasium des Wiener Theresianums aufgenommen, wo er 1878 mit Auszeichnung maturierte. Im Herbst 1878 begann Wessely an der Universität Wien das Studium der Philologie bei Prof. Dr. Wilhelm von Hartel (1839-1907) und publizierte 1881 erstmals zur Papyrusforschung. Schon damals bewies Wessely besondere Fähigkeiten zur Übersetzung altgriechischer Schriften. Bei der Themenwahl seiner Dissertation kam es indes zu Dissonanzen mit von Hartel. Als sich Wessely unter Vorlage seiner rund 70 wissenschaftlichen Publikationen für das Lehramt als klassischer Philologe an der Universität Wien bewarb, wies ihn von Hartel mit fadenscheinigen Argumenten ab. So kam Wessely nach seiner Promotion zum „Doktor der Philosophie“ 1882 zunächst nur provisorisch als Lehrer unter. 1883 folgten Forschungsreisen nach Paris und Leipzig. Auch als Assistent in der Papyrussammlung von Erzherzog Rainer war der Gelehrte einige Zeit tätig und bekam Zugang zu den sensationellen Papyrusfunden von Medinet el-Fayum. Von Beginn an war Wessely maßgeblich an der Aufarbeitung der zehntausenden Papyri beteiligt und erwarb sich dadurch einen exzellenten Ruf als anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Papyruskunde.
1886 erhielt Wessely letztlich eine Anstellung als Vertretungslehrer am Wiener k. k. Franz-Joseph-Gymnasium (heute Bundesgymnasium Stubenbastei), wo er Latein, Griechisch, Deutsch, Geschichte und Geografie unterrichtete. Neben seiner beruflichen Verpflichtung reiste er auch nach Dresden und Berlin, um sich mit anderen Papyrussammlungen vertraut zu machen. Ab dem Schuljahr 1890/91 unterrichtete Wessely am k. k. Staatsgymnasium auf der Landstraße (heute Gymnasium Kundmanngasse). Wiederholt wurde er „zum Zwecke der Verwendung an der Hofbibliothek“ von seiner Lehrtätigkeit beurlaubt. Die k. k. Hofbibliothek hatte 1899 die bedeutende Papyrussammlung von Erzherzog Rainer übernommen und war nun das Zentrum der Wiener Papyruskunde geworden. Wesselys Stellung als Wissenschaftler zeigt sich auch in der Tatsache, dass er noch am 10. Juli 1893 als korrespondierendes Mitglied in die kaiserliche Akademie der Wissenschaften aufgenommen wurde.
Im Jahr 1896 vermählte sich Wessely mit seiner Cousine Maria Josefa Kamper. Diese war Jahrgang 1865 und die Tochter von Karl Kamper, dem Gutsbesitzer vom Edelhof bei Gutenstein. Maria Wessely war selbst Lehrerin und unterstützte die Forschungstätigkeit ihres Gatten. Das familiäre Glück blieb dem Paar verwehrt, die Ehe blieb kinderlos. Ihr Lebensmittelpunkt war zunächst die Wiener Stadtwohnung im Haus Karolinengasse 3 auf der Wieden. Später gelang den Wesselys auch der Erwerb eines villenartigen Sommerhauses in der Walzengasse in Perchtoldsdorf.
Ab dem Schuljahr 1899/1900 war Wessely dauerhaft von seiner Lehrtätigkeit beurlaubt und der k. k. Hofbibliothek dienstzugeteilt. 1904 wurde er dann auf eigenem Wunsch als Lehrer pensioniert und konnte sich nun vollends seiner Leidenschaft, der Erforschung der Papyri, widmen. Wessely wirkte nun als Kustos der Sammlung an der k. k. Hofbibliothek, bemühte sich aber auch sein Wissen in volksbildnerischer Art bei Vorträgen und in Zeitschriftenartikeln weiterzuvermitteln. 1913 hielt Wessely etwa in Wien einen Vortrag „Über den Bernstein in seiner kulturhistorischen Bedeutung“, der noch im selben Jahr in gedruckter Form erscheinen sollte. Bei seinen Vortragsreisen verzichtete er uneigennützig auf den Ersatz der Spesen. Für sein Wirken wurde der Wissenschaftler mit dem Titel des „k. k. Regierungsrates“ und der Verleihung des Franz-Joseph-Ordens ausgezeichnet. 1910 feierte Wessely seinen 50. Geburtstag, zu diesem Anlass erschien in Leipzig eigens ein gedrucktes Inventar zu den Schriften des Jubilars. Wessely hatte seit 1881 vor allem zur Papyruskunde publiziert, widmete sich aber auch Fragen des Münzwesens und der Mineralogie.
In diese wichtige Schaffensphase fiel 1913 bis 1915 der Ankauf des Hauses in der Mannersdorfer Jägerzeile 16 (Nr. 250) durch das Ehepaar Wessely, das durch Sparsamkeit und Fleiß ein gutbürgerliches Leben führen konnte. Das stattliche Landhaus gegenüber dem alten herrschaftlichen Schüttkasten war bereits Ende des 19. Jahrhunderts entstanden, als die Gebrüder Leube das Mannersdorfer Zementwerk gründeten und sich mit dem Anwesen in der Jägerzeile einen standesgemäßen Wohnsitz geschaffen hatten.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges konnte sich Wessely 1919 an der Universität Wien als Privatdozent für Paläographie und Papyruskunde habilitieren. Privat hatte er ihm Jahr zuvor einen Schicksalsschlag hinzunehmen, denn seine geliebte Gattin Maria war am 26. Juli 1918 verstorben. Im Jänner 1923 beendete der 62-Jährige sein Dienstverhältnis zur nunmehrigen Österreichischen Nationalbibliothek. Wessely blieb jedoch weiterhin wissenschaftlich tätig und war noch in den 1920er-Jahren Herausgeber der „Studien zur Palaeographie und Papyruskunde“.
Wie für Gelehrte der Jahrhundertwende üblich, begann Karl Wessely eine eigene Privatsammlung mit diversen Artefakten anzulegen und sammelte dabei zu verschiedenen Themenbereichen. Ein erhaltenes, aber wohl nicht mehr vollständiges schriftliche Inventar, das sich heute im Mannersdorfer Stadtmuseum befindet, listet gut 100 Objekte zum ur- und frühgeschichtlichen Bereich der Sammlung auf. Zu ihnen zählten ägyptische, römische, griechische und „heimische“ Stücke wie etwa Tongefäße und Statuetten, die Wessely um die Jahrhundertwende bis etwa zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zusammengetragen hatte, wie aus den Aufzeichnungen des Inventars hervorgeht. Teils hatte er die Stücke angekauft, teils auch im Bereich des Leithagebirges selbst gefunden. Die Sammlung brachte Wessely in seinem Mannersdorfer Sommerdomizil in der Jägerzeile 16 unter, wahrscheinlich befanden sich andere Objekte aber auch an seinem Wiener Wohnsitz. Noch zu Lebzeiten machte Wessely seine Privatsammlung 1927 für die Öffentlichkeit zugänglich, das Haus Jägerzeile 16 stellte somit das erste „Museum“ Mannersdorfs dar.
Fortsetzung folgt …
Foto 1: Prof. Dr. Karl Wessely (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 2: Wessely publizierte zahlreiche Texte zur Papyruskunde (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 3: Die Karolinengasse auf der Wieden, hier befand sich die Stadtwohnung der Wesselys (Wien Museum, Ansichtskarte vor 1905, Inv.Nr. 234093, CC0)
Foto 4: Wessely villenartiges Landhaus in Perchtoldsdorf (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 5: Porträt von Familie Wessely (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 6: 1910 war ein eigenes "Inventar" zu Wesselys Schriften publiziert worden (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 7: Wesselys Landhaus in der Mannersdorfer Jägerzeile (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 8: Im Haus war Wesselys Privatsammlung untergebracht (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)