Angeregt durch verschiedene Gespräche möchte sich Michael Schiebinger in drei Teilen Unglücksfällen und anderen Schicksalsschlägen in der Mannersdorfer Vergangenheit widmen – zum Nach- und Gedenken.
Auch in Mannersdorf und Wasenbruck war man in der Vergangenheit nicht von Schicksalsschlägen und Unfällen gefeit gewesen. Von Bränden und Seuchen ist ja bereits mehrfach berichtet worden, diesmal fällt der Blick auf Einzelschicksale, die die Bevölkerung unserer Stadt im Zeitraum von 1800 bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges trafen. In diesen gut 140 Jahren hat sich viel verändert, die Gesellschaft, die politischen Systeme, die Beschäftigungsmöglichkeiten und die Mobilität. All das spiegelt sich beim Betrachten der folgenden Schicksale wider. Als Quellen dienten zeitgenössische Zeitungsberichte, mündliche Überlieferungen, Heribert Schutzbiers „Marterlbuch“ und die Sterbebücher der umliegenden Pfarren. Gemeinsam liefern sie ein recht gutes Bild über die leider meist tödlichen Verkommnisse.
Zunächst soll der Blick den Unfällen gelten, die aufgrund des fehlenden medizinischen Wissens, unzureichender Behandlungsmethoden und ohne vorhandene Medikamente oftmals fatal endeten. Besonders Kinder und Alte verunglückten vor 200 Jahren häufig, so ist 1809 der 11-jährige Jakob Dietrich in der Rossschwemme ertrunken. 1816 wurden dem 2-jährigen Andreas Pillitsch Verbrennungen durch siedendes Wasser zum Verhängnis. Martin Lederer ist wiederum mit 75 Jahren auf der Pirschleiten erfroren und das Findelkind Johann Graßer wurde 1821 von einem Wagen überfahren. Im Juli 1828 ist der 10-jährige Franz Stummer ertrunken, ein Jahr danach ist der 4-jährige Mathias Korn verbrannt. Der 66-Jährige Schuhmachermeister Franz Stangl ist 1831 wiederum erfroren und hatte „glücklicher Weise“ ein Testament zur Absicherung seiner Kinder und seiner Gattin Clara hinterlassen – es ist das älteste Familiendokument, das der Autor dieser Zeilen besitzt. Ebenfalls 1831 wurde der 16-jährige Simon Dietrich vom Pferd „erschlagen“, 1832 wurde Heinrich Brandl im Wald von einem umgestürzten Holzwagen tödlich getroffen. Wie man sieht, konnte der falsche Umgang mit den Pferden und den schweren Fuhrwerken damals dramatische Folgen auslösen. Johann Hölbl wiederum überraschte auf dem freien Felde im Dezember 1832 der Erfrierungstod. Mathias Baumgartner fiel unglücklich vom Wagen und verstarb, auch Joseph Götz stürzte 1836 in den Tod.
Immer wieder kam es auch zu Arbeitsunfällen im Steinbruch, Johann Weinkum wurde dort 1840 von einem Stein „zerquetscht“, 1851 Ignaz Zartl erschlagen und 1856 kam dort Wenzel Zeiner tödlich zu Sturz. 1847 ist Mathias Nowak, ein Taglöhner aus Böhmen, im Mannersdorfer Wald zu Tode gestürzt. Besonders gefährlich waren weiterhin die schweren Pferdefuhrwerke, von denen so mancher überfahren wurde, wie der 15-jährige Johann Prell 1849 oder Johann Santruschitz und Josef Käfer 1860. Maria Pillitsch ist im hohen Alter 1863 gestürzt und hat den Schädelbruch nicht überlebt, Josef Zorn erging es ähnlich. 1864 kam es mit Mathias Zach wiederum auf dem Feld zu einem winterlichen Erfrierungstod.
Unfälle mit Kindern blieben weiterhin häufig, so verstarb 1880 der 2-jährige Friedrich Sollak durch Verbrühungen, 1891 der 5-jährige Karl Pitschmann durch eine Gehirnerschütterung und Verbrühungen oder 1892 der 3-jährige Mathias Bauer, der offenbar von einem Wagen überfahren wurde. Auch der 7-Jährige Sigismund Götz stürzte 1895 vom Wagen herab und erlitt tödliche Verletzungen. Im Alter von 70 Jahren erfror wiederum Franziska Marban in einer kalten Oktobernacht des Jahres 1882 auf der Hutweide. Auch in der noch jungen Filztuchfabrik von Wasenbruck kam es 1891 zu einem Unfall, bei dem der Arbeiter Martin Fasching seinen Verletzungen erlag. Im Dezember 1892 stürzte die 73-jährige Barbara Skrabal vom Hausboden in die Tiefe und verstarb. Im Jahr 1893 wurde die 37-jährige Magdalena Pillitsch in den Seeschlachten bei einem Gewitter tödlich vom Blitz getroffen. Ihre Kinder widmeten ihr ein Gedenkkreuz, das noch heute an der Unglücksstelle steht. Ebenso 1893 ertrank Johann Hirschmann bei der Klimke-Mühle in Wasenbruck, während 1895 Maria Weinkum ihren Verbrennungen erlag. Die 48-Jährige Aloisia Gerwatz erlitt 1901 tödliche Schädel- und Rippenbrüche, das Sterbebuch schweigt leider über deren Ursache. Dann folgen offenbar zehn Jahre, in denen zwar Unfälle passierten, aber nicht tödlich endeten. 1911 verstarb der Taglöhner Franz Winkowitsch mit 41 Jahren an einem Wirbelsäulenbruch, die Ursache dafür geht aus dem Sterbebucheintrag nicht hervor. Ebenso 1911 ertrank die nur drei Monate alte Margarete Kratky in Wasenbruck, das Kleinkind Maria Peczuch verstarb im November 1912 an den Folgen einer Verbrennung.
In den 1910er-Jahren nahmen dann auch die Arbeits- und Verkehrsunfälle zu, das noch junge Zementwerk und die Eisenbahn brachten natürlich gewisse Gefahren mit sich. Im Oktober 1913 kam es zu einem schweren Unfall „auf der Eisenbahn“, der 46-jährige Oberbauarbeiter Johann Markowitsch wurde von einem Zug erfasst und getötet. Im Folgemonat ereignete sich das nächste tödliche Unglück in Mannersdorf, Josef Robitzer war beim Sturz in einen Brunnen ertrunken. Im Jänner 1914 wurde der Taglöhner Franz Reichhart bei Arbeiten in der Mannersdorfer Tegelgrube von den überraschend abstürzenden Geländemassen erschlagen. Arbeitsschutzmaßnahmen gab es noch nicht, das Leben und die Gesundheit der Fabriksarbeiter zählte zudem wenig. Und so konnte man sich glücklich schätzen, wenn man unbeschadet nach Hause kam.
Fortsetzung folgt …
Foto 1: "Durch Erfrieren auf der Hutweide", so starb Franziska Marban 1882 (Matricula, Pfarre Mannersdorf, Sterbebuch, 1882)
Foto 2: "Gehirnlähmung durch Blitzschlag auf dem Felde während des Gewitters", auch Maria Pillitsch fand einen jähen Tod (Matricula, Pfarre Mannersdorf, Sterbebuch, 1893)
Foto 3: An das Unglück von Maria Pillitsch erinnert noch heute ein Marterl (Feldweg in Verlängerung der Severingasse), das von ihren Kindern gesetzt wurde (Michael Schiebinger, 2004)
Foto 4: Zeitungsartikel zum Unfall von Johann Soldatisch im Jahr 1909 (Brucker Bezirksbote)