Im heutigen Online-Gschichtl befasst sich Michael Schiebinger mit einer besonderen, meist jedoch unbeachteten Berufsgruppe, den Hebammen. Er dankt den Familien Zsabetich-Abele und Wolfram für zahlreiche Hinweise und die Zurverfügungstellung von Fotos und Dokumenten.
Das Berufsbild der Hebamme ist ein sehr altes und bestand schon in der Antike. Die Geburtshilfe wurde ausschließlich von Frauen geleistet, die im Mittelalter bei Fehlgeburten und gesundheitlichen Komplikationen schnell in Verruf kamen und der Hexerei bezichtigt wurden. Die Ausbildung der „Wehmütter“ wurde dann ab dem 18. Jahrhundert im Zuge des medizinischen Fortschrittes zusehends verbessert. Die Hebammen mussten im 19. Jahrhundert auch auf dem Lande geprüft sein, um ihre Tätigkeit ausüben zu dürfen. Die Hausgeburt war auch in den Städten die Regel, nur wenige konnten sich Aufenthalte in Geburtskliniken leisten. Für mittellose Mütter bestanden die wenig rühmlichen „Gebähranstalten“, wo sie ihre oft unehelichen, gesellschaftlich nicht anerkannten Kinder zur Welt bringen konnten.
Die ersten namentlich fassbaren Hebammen in Mannersdorf waren 1797 Maria Pfeifer und 1813 Juliana Ostermayer. Seit 1773 hatten alle Hebammen eine Prüfung der Ausübung ihres Berufes abzulegen. Im Biedermeier gab es in Mannersdorf zunächst offenbar nur eine solche geprüfte Hebamme. Rosalia Andraschky hatte alle Geburten im Marktflecken alleine zu begleiten, wie die Taufbücher zeigen. Um 1840 war die „Nothhebamme“ Magdalena Sellinger bei einigen Geburten im Einsatz, sie dürfte wohl nicht über die notwendige Prüfung zur Berufsausübung verfügt haben. Erst ab 1850 scheint Anna Klier als zweite geprüfte Hebamme in Mannersdorf auf. Maria Oels begann 1862 im Marktflecken als Hebamme zu wirken, während ihre Kollegin Rosalia Andraschky im Jahr 1866 ihre berufliche Tätigkeit beendete. Als mit der Mühlengründung an der Wasenbrücke dort 1857 mit Karl Borromäus Klimpke das erste Kind zur Welt kam, wurde die Hebamme Elisabeth Fürst aus Reisenberg geholt. Auch die weiteren Geburten in der Klimpke-Mühle wurden durch sie begleitet.
Ab 1878 war dann Katharina Hayden als geprüfte Hebamme in Mannersdorf und gelegentlich in Götzendorf tätig. Sie ehelichte nach dem Tod ihres ersten Mannes 1892 Georg Eberle, unter dem neuen Familiennamen wurde ihre Tätigkeit fortan auch in den Taufbüchern vermerkt. Als weitere geprüfte Hebamme war Anna Reif in Mannersdorf tätig. Ihre Kollegin Maria Oels verstarb 1892 im Alter von nur 50 Jahren. In Wasenbruck war indes die Filztuchfabrik gegründet worden und die ersten Kinder der zugezogenen Arbeiterfamilien kamen im entstehenden Fabriksort zur Welt. Für die Geburten wurden die Hebammen Carolina Rehazek aus Götzendorf und Maria Fürst aus Reisenberg geholt. Es ist fraglich, ob sie auch immer rechtzeitig zur Stelle waren, besonders bei schlechten Witterungs- und Straßenverhältnissen. In den 1890er-Jahren wurden dann auch Katharina Eberle und Anna Reif aus Mannersdorf zu Geburten nach Wasenbruck gerufen.
Zur Jahrhundertwende wurden im Zentralkataster für Handel, Industrie und Gewerbe in Mannersdorf zwei Hebammen benannt, Rosina Waldmann und Katharina Eberle. Anna Fiala war zeitweise die dritte Hebamme von Mannersdorf. Die Hebamme Maria Schuch aus Hof wurde in den 1910er-Jahren gelegentlich auch in Mannersdorf tätig, besonders bei Eltern, die aus Hof gebürtig waren. Anna Fiala, Rosina Waldmann und Katharina Eberle wurden zur Jahrhundertwende zu Geburten nach Götzendorf und Pischelsdorf gerufen. Rosina Waldmann ging als Hebamme 1908 in Ruhestand, auf sie folgte Theresia Tatzber.
Nach 1900 waren Maria Lutz und Clara Schaffner aus Götzendorf sowie Juliana Stadlmann aus Reisenberg als Hebammen in Wasenbruck im Einsatz. Und „Einsätze“ gab es genügend, denn die meisten Arbeiterfamilien waren sehr kinderreich. Die Hebammen bekamen zur Jahrhundertwende für ihre Tätigkeit bei wenig vermögenden Kundinnen ein Honorar von bis zu 20 Kronen, bei „Bessersituierten“ konnte die Entlohnung wesentlich höher ausfallen. Wurde es nur ein einfacher Besuch bei der Mutter vor oder nach der Entbindung, dann war nur 1 Krone (heutiger Gegenwert etwa 6,50 Euro) zu bezahlen.
Die Hebammen Eberle, Fiala und Tatzber waren bis in die Zwischenkriegszeit hinein in Mannersdorf tätig. Katharina Eberle dürfte ihre Profession bis ins hohe Alter ausgeübt haben, denn im Jahr 1926 feierte sie ihr 50-jähriges Berufsjubiläum – sie verstarb 1937 im Alter von 85 Jahren. Hebamme Anna Fiala war bereits 1930 im Alter von 80 Jahren als „Steuer-Executors-Witwe“ verstorben. In den 1930er-Jahren wurde Maria Hirmann (geb. Winkler) als Hebamme in Mannersdorf tätig. Sie war Jahrgang 1899 und stammte aus Sommerein. 1919 heiratete sie den Viehhirten Anton Hirmann und kam so nach Mannersdorf. In den Kriegs- und Nachkriegsjahren war mit Theresia Wanka eine eigene Hebamme in Wasenbruck ansässig. Sie wurde auch im benachbarten Pischelsdorf und in Götzendorf bei Geburten herbeigeholt. Theresia Wanka war Jahrgang 1884 und stammte aus Reith bei Langenlois. Nach dem Tod ihres ersten Gatten Franz Groll nahm die Hebamme 1938 den Nachwächter Franz Wanka zum Mann.
In den Kriegsjahren mit mangelnder Ernährung und der psychischen Belastung kam es immer wieder zu Totgeburten. Mangelndes Einfühlungsvermögen und die Tabuisierung des Kindestodes sowie die damals ideologisch geschürte Geringschätzung des menschlichen Lebens führten dazu, dass die jungen Mütter in dieser dramatischen Situation oftmals alleine gelassen wurden. Schließlich sollten sie „dem Führer“ ja möglichst viele Kinder „schenken“ und als „Gebährmaschinen“ Nachschub für den Krieg liefern.
Ganz anders zeigt sich dann das Bild der Hebamme in der Nachkriegszeit. 1947 wurde Hermine Zsabetich in Mannersdorf als Hebamme tätig. Sie war Jahrgang 1920 und zählte zu einer jungen Generation mit entsprechender Fachausbildung. Hermine Zsabetich war mit 15 Jahren nach Wien gegangen, um als Dienst- und Kindermädchen tätig zu werden. In den Kriegsjahren kam sie zurück nach Mannersdorf, wollte aber seit jeher Hebamme werden. 1945 startete sie daher an der Wiener Semmelweisklinik die zweijährige Ausbildung zur Hebamme. 1947 begann Frau Zsabetich in Mannersdorf als staatlich geprüfte, freipraktizierende Hebamme. Nach der Pensionierung ihrer Kollegin Theresia Wanka war sie ab 1950 die einzige Vertreterin ihres Berufsstandes in Mannersdorf. Zu ihrem Tätigkeitsgebiet zählten auch die Orte Wasenbruck, Hof, Au, Sommerein, Götzendorf und Pischelsdorf. Seltener wurde sie nach Kaisersteinbruch und Stotzing gerufen. Zunächst wurde Hermine Zsabetich zu den Geburten mit Fuhrwerken und Traktoren gebracht, Autos gab es ja noch wenige. Später kam die Hebamme mit ihrem Moped zu den Entbindungen. Mit über 40 Jahren legte Frau Zsabetich dann doch die Führerscheinprüfung ab und schaffte sich einen VW-Käfer als „Dienstfahrzeug“ an. Sie war Tag und Nacht einsatzbereit und arbeitete oft mit den Mannersdorfer Medizinern Dr. Gottschy und Dr. Neumüller zusammen.
Hermine Zsabetich zeigte vorbildhaft, welche wichtige, menschlich einfühlsame Rolle damals Hebammen einnehmen konnten. Sie war bei allen Hausgeburten dabei, die bis in die 1960er-Jahre noch überwogen. Sie ist noch heute vielen Mannersdorfer:innen in guter Erinnerung, da sie sich sehr fürsorglich um die jungen Mütter und ihre Kinder bemühte. Besonders für einkommensschwache und bedürftige Familien hatte Frau Zsabetich ein offenes Ohr. Bei den routinemäßigen Verlaufsuntersuchungen nach der Geburt brachte die beliebte Hebamme kleine Aufmerksamkeiten mit, zum einen Lebensmittel, zum anderen aber auch Wäsche und Kleidung für die Kleinen. Zu Frau Zsabetichs Aufgabe zählte aber auch die Kontaktaufnahme mit der Pfarre, um einen Tauftermin zu vereinbaren. Die Kinder wurden damals bereits wenige Tage nach der Geburt getauft und dabei war neben den Eltern und den Paten auch immer die Hebamme anwesend.
Nach der Etablierung der Pille nahmen die Geburten in den 1970er-Jahren kontinuierlich ab, die Entbindungen verlagerten sich zudem bereits vielfach in die Krankenhäuser. Die Mannersdorfer Kinder kamen nun vor allem in Eisenstadt, Hainburg oder Wien zur Welt und wurden fortan von den Krankenhaushebammen betreut. Hermine Zsabetich ging nach 1449 (!) Geburten im Jahr 1975 in Pension. Als letzte Hebamme von Mannersdorf und Wasenbruck wurde sie vom Land und der Marktgemeinde geehrt – sie verstarb 2011 in hohem Alter.
Foto 1: Hebamme Hermine Zsabetich mit einem Täufling und ihrem VW-Käfer als "Dienstfahrzeug" (Familie Zsabetich-Abele)
Foto 2: Hermine Zsabetich mit Helene Schada als Taufpatin von Edith Wolfram, 1956 (Familie Wolfram)
Foto 3: Hermine Zsabetich bei einer Zwillingstaufe (Familie Zsabetich-Abele)
Foto 4: Hermine Zsabetich 1975 anlässlich ihrer Pensionierung (Familie Zsabetich-Abele)
Foto 5: Hermine Zsabetich 1975 mit dem letzten von ihr entbundenen Kind bei der Taufe (Familie Zsabetich-Abele)