Online-Gschichtl Nr. 115

Mannersdorf und die Franzosenkriege

Früher sprach man von der „Franzosenzeit“ und meinte damit jenen Zeitraum an der Wende zum 19. Jahrhundert, in dem auch unsere Gegend unter dem Kriegsgeschehen mit Frankreich zu leiden hatte. Michael Schiebinger begibt sich auf Spurensuche in das Mannersdorf der „Franzosenkriege“.

 

Das Jahr 1789 stand in Europa für eine Zeitenwende, mit der Französischen Revolution wurde erstmals eine absolutistische Monarchie gestürzt. Die Folgezeit war für Frankreich von tiefen Zerwürfnissen und wechselnden Regimen geprägt. Das revolutionäre Frankreich erklärte 1792 dem Habsburgerreich und seinen Verbündeten den Krieg. Früh waren Mannersdorf und die Herrschaft Scharfeneck in die Kriegsereignisse involviert gewesen, wenngleich die eigentlichen Kriegsschauplätze noch weit entfernt lagen. Im Jahr 1794 mussten ein Mannersdorfer und ein Sommereiner Bauer Vorspanndienste beim Transport französischer Kriegsgefangener von Fischamend nach Regelsbrunn leisten. Wie alle anderen Orte wurde auch Mannersdorf genötigt, einen Betrag zur Kriegsanleihe zu erbringen. In den Folgejahren hatten die Untertanen zudem Korn und Hafer zur Truppenverpflegung abzugeben. Auch weitere Transportdienste für Soldaten und den Nachschub waren zu leisten, manch Bewohner oder Pferd verschwand dabei.

Die Leithabrücke bei Götzendorf war instand zu setzen und die Herrschaft hatte Untertanen für Schanzarbeiten nach Wien zu entsenden. Auch die Pfarre musste ihren Beitrag leisten und einige Silbergeräte zur Kriegsfinanzierung abgeben. Die Mannersdorfer hatten ganze 30 Fuhren Mehl von Wöllersdorf bis nach Leopoldau gebracht. Im Markt und den umgebenden Orten lagerte damals das Deutschmeisterregiment, von dem etliche Soldaten desertierten und sich im Wald des Leithagebirges versteckten. Auch militärpflichtige einheimische Burschen suchten das Weite und flohen nach Ungarn. Für die Ergreifung der Flüchtigen wurden ganze 6 Gulden bezahlt. Die Herrschaft hatte 19 Rekruten zu stellen, wollten diese nicht einrücken, so setzte man der Familie zur Strafe Soldaten ins Haus, die sie dann zu verköstigen hatte. Mit dem Frieden von Campo Formido endete im Oktober 1797 der „Erste Koalitionskrieg“. Noch im Folgemonat wurden 131 (!) Mannersdorfer in Bruck mit Medaillen ausgezeichnet, da sie sich bei den Stellungen in Theresienfeld, Altenmarkt an der Triesting und Ebenfurth sowie bei Schanzarbeiten am Wienerberg hervorgetan hatten.

Der Friede war aber schnell brüchig und 1799 folgte der „Zweite Koalitionskrieg“, der abermals fern der Heimat stattfand. In den Jahren 1799 und 1800 wurde die hiesige Ernte besonders durch Unwetter und Ungeziefer heimgesucht, daher wurden den Untertanen die kriegsbedingten Korn- und Haferlieferungen erlassen. Auch in den Folgejahre kam es zu Missernten, sodass die Abgaben teilweise nachgesehen wurden. Die Truppen der russischen Verbündeten zogen durch das Herrschaftsgebiet Richtung Italien, für die Verpflegung der Pferde wurde eigens Heu zugekauft. 1801 endete der zweite Krieg mit dem Frieden von Lunéville.

Im Jahr 1805 verbündeten sich im „Dritten Koalitionskrieg“ Österreich, Schweden, Großbritannien und Russland gegen Frankreich, dem wiederum Baden, Bayern und Württemberg beistanden. Am 13. November 1805 besetzte Napoleon Wien, die Schlacht bei Austerlitz/Slavkov u Brna in Mähren gewannen die französischen Truppen und der Friede von Preßburg brachte neues Ungemach. Die Franzosen nahmen in Wien Quartier, wohin auch die Mannersdorfer Heu für die Truppenpferde liefern mussten. Vom 5. Dezember 1805 bis 11. Jänner 1806 quartierten sich – Hans Kopf zufolge – französische Truppen unter Marschall Nicolas Jean-de-Dieu Soult in den vier Märkten der Herrschaft Scharfeneck ein. In Mannersdorf befanden sich drei Kompanien vom 11. Jägerregiment zu Pferde (11e régiment de chasseurs à cheval) mit 170 Mann. Dieses Regiment befand sich noch am 2. Dezember 1805 bei Austerlitz, der Waffenstillstand wurde offiziell erst am 6. Dezember geschlossen. Es ist daher fraglich, ob die Regimentsteile bereits am 5. Dezember von Mähren aus in der Herrschaft Scharfeneck eingetroffen waren. Zum Jahreswechsel 1805/06 gesellten sich für 11 Tage noch weitere 120 Mann vom 85. Linien-Infanterieregiment (85e régiment d'infanterie de ligne) hinzu, die zuvor ebenso bei Austerlitz eingesetzt waren.

Die einquartierten Soldaten Napoleons mussten von der hiesigen Bevölkerung verpflegt werden. Jedem Soldaten standen letztlich drei Tagesmahlzeiten zu, deren Zutaten es von der Bevölkerung aufzutreiben galt. Die „Gäste“ verspeisten letztlich 660 Pfund (300 Kilogramm) Fleisch und 1980 Pfund (900 Kilogramm) Brot. Im Mannersdorfer Schloss waren 16 bis 20 Offiziere, darunter Kompanieführer Josselin und Baron Bertrand Bessieres (11. Jägerregiment), untergebracht, die sich standesgemäß aushalten ließen und sich auch als Jäger im Herrschaftswald betätigten. Die unteren Ränge waren hingegen in den Bauernhäusern untergebracht, auch im Pfarrhof war ein Major einquartiert. Die französischen Soldaten dürften sich zwar verhältnismäßig milde verhalten haben, nahmen aber dennoch 3000 Gulden an „Requisitionen“ von der Herrschaft mit. Einer der französischen Soldaten blieb offenbar der Liebe wegen in Mannersdorf. Peter Lagrange Kürassier und Sohn eines Handelsmannes aus Duravelle in den Niederlanden ging 1806 in Mannersdorf die Ehe mit Anna Maria Hafner ein. Lagranges Ende war hingegen tragisch, denn er fiel 1811 mit 28 Jahren einem Mord zum Opfer.

Im April 1809 kam es zum vierten Krieg mit Frankreich, im Mai saß Napoleon bereits in Wien. Es folgten die beiden Schlachten im Marchfeld, jene bei Aspern, die für Österreich ausging und jene von (Deutsch-)Wagram, bei der wieder Napoleons Truppen siegreich waren. Die hiesige Bevölkerung floh zunächst ins Leithagebirge hinter die Ziegellacke, der dortige Bereich wurde daher später „Franzosenwald“ genannt. Angeheizt wurde die Furcht vor den Franzosen offenbar auch durch die Berichte der unzähligen Flüchtlinge, die Richtung Ungarn durchzogen. Der Markt Mannersdorf wurde nun abermals mit Einquartierungen französischer Soldaten beglückt, die nun noch anspruchsvoller wurden. Diesmal galt es im Markt 106 Mann des 2. Kürassierregiments samt Stab und 103 Pferden zu versorgen. Bargeld, Heu und Stroh war abzuliefern, aus der herrschaftlichen Zucht wurden 1427 Merinoschafe von den Franzosen beschlagnahmt und fortgeschafft. Der aus Wien nach Mannersdorf zugezogene Weinhändler Georg Hammer musste neben hiesigem Wein auch solchen aus Ungarn liefern. Ähnlich war die Lage in Au, wo die französischen Soldaten nur das Beste auftischen ließen und bei Laune gehalten werden mussten. Nach Abzug der französischen Truppen waren diesmal auch unzählige Schäden am Herrschaftsgut zu verzeichnen, so waren die Wiesen gänzlich abgemäht, der Fasangarten verwüstet und die Mannersdorfer Schlosseinrichtung zerrissen und zerschlagen hinterlassen worden. Neben den Franzosen zogen auch deren Verbündete durch die Herrschaftsorte, so bekam es die Bevölkerung auch mit italienischen, badischen und württembergischen Truppen zu tun. Der Friede von Schönbrunn beendete im Oktober 1809 den Vierten Koalitionskrieg in Europa.

Die Franzosen hinterließen ein so eindrückliches Bild bei der Bevölkerung, das lange in den Köpfen gefestigt blieb und noch im 20. Jahrhundert alte Feindbilder heraufschwor. Es wundert auch nicht, dass die „Franzosenzeit“ zu allerlei Legenden und Sagen führte, wo man zumindest in der Erzählung versuchte, den ungeliebten Besatzern „eins auszuwischen“. So soll der Hausbesitzer Pillitisch im Kroatenmarkt (Nr. 40) ein „gestandener Lackel“ gewesen sein, bei dem ein Franzose einquartiert war. Der fremde Soldat forderte Wein und Pillitsch stellte ein Glas auf den Tisch. Der Franzose war damit aber nicht zufrieden, sodass ihm der Mannersdorfer Hausbesitzer einen Maßkrug voll Wein kredenzte. Die beiden hatten ihre Kommunikationsschwierigkeiten, denn der Soldat warf auch den Krug um. Pillitsch holte dann einen Milchsechter für den Wein, da er dachte, dass der Franzose mit der Gefäßgröße unzufrieden war. Als dieser selbst das Milchgefäß umwarf, reichte es Pillitsch, der schnappte sich den schwierigen Gast, nahm ihm seine Waffen ab und komplimentierte ihn bei der Tür hinaus. Der Soldat kam nicht mehr zurück, aber Pillitsch wurde im Schloss von den französischen Offizieren verhört. Der Mannersdorfer wurde letztlich geschont und behielt sich die Waffen des verschwundenen Soldaten. Die Erzählung, die wohl später entsprechend ausgeschmückt wurde, lässt also den einheimischen „Kraftlackel“ als Held dastehen, während der „armselige“ Fremde das Weite suchte. Wohl eher ein idealisiertes und verklärtes Wunschbild, denn die bittere Realität sah sicher anders aus. In jeder Sage steckt aber ein wahrer Kern, denn Sprach- und Verständigungsprobleme zwischen Besetzten und Besatzern sind nachweislich überliefert – die Franzosen versuchten sogar auf Latein zu kommunizieren.

Aus dieser Zeit ist noch eine weitere Sage überliefert: Der Kirchenvater Matthias Wellischowitsch und der Pfarrer hätten sich große Sorgen um die Einrichtung und Ausstattung der Mannersdorfer Pfarrkirche gemacht, die sie durch die fremden Truppen in Gefahr sahen. Wellischowitsch schlug vor ein Marienbild im Backofen seines Hauses (heute Hauptstraße 73) zu verstecken. Dieser Vorschlag gefiel dem Pfarrer und so geschah es auch. Das Bild soll so die kurze Besatzungszeit heil überstanden haben und danach wieder in die Pfarrkirche zurückgebracht worden sein.

Nach den Ereignissen von 1809 war das Kaisertum Österreich nahe am Bankrott, daher wurde die ohnehin schwer gebeutelte Bevölkerung abermals zur Kasse gebeten. Es wurde nun das Privat- und Kirchensilber eingezogen, dass nur durch hohe Geldsummen freigekauft werden konnte. Damals verloren viele Pfarren ihre historischen Kirchengeräte, die sie nur bedingt auslösen konnten. Der tatsächliche Staatsbankrott von 1811 führte zur Geldentwertung und brachte auch Mannersdorfer Familien in Existenznöte.

 

1813 erklärte Österreich Frankreich den Krieg, um nun mit all den übergelaufenen Verbündeten gegen Napoleon vorzugehen. Mit der Völkerschlacht von Leipzig im Oktober 1813 und dem Einmarsch der alliierten Truppen in Paris im März 1814 endeten Napoleons Herrschaft und die sog. „Befreiungskriege“. Auch in Mannersdorf konnte man nun wieder einer Friedenszeit entgegenblicken, die zumindest bis 1866 anhielt.


Foto 1: Gedenkstätte auf dem Pratzen/Pracký kopec in Mähren, ringsum fand hier 1805 die Schlacht von Austerlitz/Slavkov statt (Michael Schiebinger)

Foto 2: In den Feldern um Austerlitz kämpften 1805 auch jene Franzosen, die Tage später als Besatzer in Mannersdorf Quartier nahmen (Michael Schiebinger)

Foto 3: 1809 war das Kriegsgeschehen ganz nahe, in Aspern im Marchfeld (Carte der Gegend um Wien nebst Plan der Bataille, CC0, Wien Museum Online Sammlung, Inv.Nr. 37082 1-2)

Foto 4: Das Schlachtgeschehen von 1809 in idealisierter Darstellung (Die Schlacht bei Aspern, Carl Heinrich Rahl nach Peter Krafft, CC0, Wien Museum Online Sammlung, Inv.Nr. 31614 1-2)

Foto 5: Der Löwe von Aspern als Gedenkmonument für 1809 (Michael Schiebinger)

Foto 6: Das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, 100 Jahre nach den Ereignissen von 1813 entstanden

(Michael Schiebinger)