Unsere Mannersdorfer Theatergruppe sorgte in den vergangenen Jahren ja stets für volle Säle, aber die Tradition des Theaterspielens reicht bei uns bis in das 18. Jahrhundert zurück. Michael Schiebinger begibt sich heute, auf besondere Anregung von Norbert Schipfer, auf die Spuren der frühen Theatergeschichte Mannersdorfs …
Das Zeitalter des Barocks, so ist die landläufige Meinung, sei eine Welt des schönen Scheins, der Illusion, des Feierns und der Theatralik gewesen. Auch in unserer Gegend war man im 18. Jahrhundert diesen Zuschreibungen durchaus nachgekommen. Seit 1719 regierte Maria Karolina Gräfin von Fuchs-Mollard die Herrschaft Scharfeneck-Mannersdorf, unter ihr wurde das Wiener Hofleben ans Leithagebirge geholt und zahlreiche barocke Bauten entstanden. Kurzum Mannersdorf war ein durch und durch barocker Marktflecken geworden. Das Theaterspiel, das damals vor allem vom Adel gefördert wurde, gehörte zu einer standesgemäßen Hofhaltung dazu und wurde auch von der Familie Fuchs-Mollard gefördert.
Christoph Ernst von Fuchs war vor seiner Gattin bis zu seinem Tod 1719 Inhaber der Herrschaft. Wie oft er allerdings hier zugegen war, lässt sich nicht sagen, der Graf war nämlich als Diplomat auf Achse. 1716 wurde er kaiserlicher Botschafter in Hamburg und übersiedelte deshalb – ohne Gattin – in die Stadt an der Elbe. Auch dort wusste er seinem Dienstherrn, Kaiser Karl VI., zu gefallen, als er im Juni 1716 ein „Musicalisches Lust- und Tanzspiel“ zu Ehren der Geburt des Thronfolgers Leopold Johann aufführen ließ, wie Ava Pelnöcker erst jüngst entdeckte. Erzherzog Leopold Johann verstarb noch im Jahr seiner Geburt, sodass seine 1717 geborene Schwester Maria Theresia später die Thronfolger übernehmen sollte.
Nach dem Tod ihres Mannes übernahm Maria Karolina von Fuchs-Mollard nicht nur die Herrschaft, sondern wurde auch die Erzieherin der jungen Erzherzogin Maria Theresia – die besondere, freundschaftlich-mütterliche Beziehung der beiden Frauen wurde ja legendär. 1736 hatte sich Maria Theresia mit Franz Stephan von Lothringen verlobt, das junge Paar kam noch am 6. Juni desselben Jahres zur „lieben Fuchsin“ nach Mannersdorf. Die hohen Gäste besuchten das Kloster St. Anna in der Wüste – die Klosterchronik berichtet weiter: „Zur Überraschung und Erheiterung ihrer Gäste hatte die Gräfin auf dem Wiesengrund an der Hofer Straße ein ländliches Fest vorbereitet und zu diesem Zwecke einen Tanzboden und zwei Hütten errichten lassen. Als die hohen Herrschaften hier ankamen, war das Fest schon im Gange. Eine große neugierige Menschenmenge hatte sich angesammelt, und junge, festlich gekleidete Bauernpaare tanzten auf der Bretterdiele nach den Weisen eines Dudelsackpfeifers.“ Das barocke Theater war also auch in Mannersdorf angekommen!
Im Folgejahr war Maria Theresia mit ihrer Schwester wieder im Kloster zu Gast, wie die Chronik zu berichten weiß: „Die Prinzessinnen verrichteten eine kurze Andacht in der Leopoldskapelle, fuhren aber dann gleich zur Burgruine hinauf, ohne sich im Kloster aufzuhalten. Die Gräfin Fuchs hatte zur Unterhaltung ihrer Gäste in der Nähe der Ruine eine kleine Bühne errichten und eine Komödie aufführen lassen.“ Es dürfte sich um jene Aufführung des Jahres 1737 gehandelt haben, die bei Christian Heinrich Schmid beschrieben wird. Die deutschsprachige Wanderschauspielertruppe war aus Russland hergekommen, „die Schauspieler [hatten] das erstemal die Ehre zu Mannersdorf vor der Kayserlichen Familie zu spielen“. Daraus wurde vor einigen Jahren sogar die These abgeleitet, dass diese Aufführung die Geburtsstunde des Wiener Burgtheaters gewesen sei. In der Wüste selbst, also innerhalb der Klostermauer, konnte natürlich kein Theater gespielt werden, das verbat alleine schon die strenge Klausur der Karmeliter. Die Aufführungen fanden daher außerhalb der Mauer, aber in unmittelbarer Nähe der Wüste statt.
Die „Fuchsin“ wurde mit ihren Theatereinlagen offenbar immer kreativer, als Maria Theresia ihre Vertraute 1742 besuchte, ließ die Gräfin in ihrem Sommereiner Schlosspark zur Erheiterung ihres hohen Gastes sogar ein Lanzenstechen veranstalten. 1744 wurde wiederum im Fasangarten, der an der Straße nach Götzendorf lag, eine deutsche „Comédie“ auf einer Freilichtbühne den Gästen durch eine Wiener Schauspieltruppe dargeboten. Nach dem Vorbild des Mannersdorfer Weinlesefestes, an das noch heute der Maria-Theresien-Obelisk erinnert, ließ die Gräfin Fuchs 1747 in Sommerein ein weiteres, nun höfisches Fest zur Weinlese mit barocker Inszenierung organisieren. Die Gäste der Gräfin verkleideten sich aber auch selbst des Öfteren, wenn sie in Schloss Mannersdorf einen der beliebten Maskenbälle für die Höflinge gab.
Die Formen des Schauspiels und des Theaters waren also während der Regierungszeit von Maria Karolina Gräfin von Fuchs-Mollard vielfältig, als sie 1754 in Wien verstarb, verblasste auch die barocke Glanzzeit von Mannersdorf. Anstelle des höfischen Theaters trat dann im 19. Jahrhundert das bürgerlich-bäuerliche Schauspiel, von dem auch noch zu berichten sein wird …
Fotos: Library of Congress, Archiv Michael Schiebinger