Vor einiger Zeit hat Michael Schiebinger bereits über die Cholera-Pandemie von 1831 und das Kreuz berichtet, das in Mannersdorf an die damaligen Ereignisse erinnert. Kein Denkmal gibt es hingegen weit und breit für die Opfer der Spanischen Grippe von 1918/19. Werfen wir daher heute, auf besonderen Wunsch einer treuen Leserin, einmal einen Blick auf die damaligen Verhältnisse in Mannersdorf und den Nachbarorten.
Die Spanische Grippe war eine Influenza-Pandemie, die ab 1918 in drei Wellen viele Länder weltweit erfasste und entsprechend verheerende Folgen hatte. Ihr Name leitet sich von Spanien ab, weil dort ohne Kriegszensur über die Krankheit berichtet werden konnte. Im Frühjahr bzw. Sommer 1918 brach die Krankheit aus, als noch immer die Kämpfe des Ersten Weltkrieges tobten und man der Verbreitung zunächst keine Aufmerksamkeit schenkte. Im Herbst 1918 folgte die zweite Welle und ab Februar 1919 kam es zu lokalen dritten Ausbreitungswellen. In den USA, die besonders hart getroffen waren, nahm man die Pandemie damals ernster als in Europa, wo die Spanische Grippe in Deutschland und Österreich zu einem Zeitpunkt auftrat, als die Monarchien zusammenbrachen und die jungen Republiken mit sich selbst beschäftigt waren. Reagiert wurde daher sehr spät und nur punktuell, in Österreich fielen der Krankheit 21.000 Menschen zum Opfer.
Während Pest und Cholera in der lokalen Geschichtsforschung gut erforscht sind, wurde der Spanischen Grippe bisher kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Auch in der Literatur zu Mannersdorf und seinen Nachbarorten sucht man vergeblich zu Angaben über die Pandemie. Etwas Klarheit bringt daher ein Blick in das Mannersdorfer Sterbebuch (via Matricula Online), am 2. Oktober 1918 scheint dort erstmals ein Eintrag mit „Influenza“ als Todesursache auf, es hatte den 39 Jahre alten Leopold Menzl getroffen. Dies passt zeitlich und altersmäßig in den Vergleichsrahmen, da Ende September 1918 die ersten nachweislichen Fälle in Wien dokumentiert wurden. Am 31. Oktober 1918 verschied der Maler Egon Schiele vermutlich an der Spanischen Grippe, er war eines der prominenten Opfer der Krankheit in Österreich.
Zurück nach Mannersdorf. Bis Ende Oktober 1918 verstarben hier sechs weitere Personen an der Influenza bzw. an einer Lungenentzündung. Acht weitere Fälle mit diesen Todesarten finden sich bis zum Jahresende 1918. Im Jahr 1919 verstarben dann noch bis Juli neun Personen, wobei hier auch von der „Lungentuberkulose“ gesprochen wurde. Im Sterbebuch kommt der Begriff „Spanische Grippe“ nicht explizit vor, die gehäuften Einträge zu Influenza- und Lungenkrankheiten lassen aber vermuten, dass diese mehrheitlich in Verbindung mit der Pandemie standen. Das zeigt auch der Vergleich mit den vorangegangenen und nachfolgenden Wintermonaten von 1917/18 und 1919/20, wo nur einzelne derartige Krankheiten als Todesursache aufscheinen.
Interessant ist auch der Blick in die Totenbücher unserer Nachbarorte, so starb in Hof am 13. Oktober 1918 die 26-jährige Anna Mayer an der Influenza. In der Anmerkung hat der Pfarrer zusätzlich vermerkt, dass die Ursache die „sogenannte Spanische Grippe“ gewesen sei. Bis Dezember 1918 starben in Hof noch weitere 5 Personen an einer Lungenentzündung, darunter auch der 19-jährige Thomas Glogowatz. „Hat sich das heimtückische Leiden im Felde zugezogen“, wie vermerkt wurde. Wenn damit nicht die Feldarbeit gemeint war, dann wäre das ein deutlicher Hinweis für die Einschleppung der Krankheit durch die Kriegsheimkehrer. In Au scheint am 17. Oktober 1918 erstmals die Todesursache „Influenza“ bei der 34-jährigen Maria Ebenführer auf, bis Dezember folgten dann zwei weitere Todesfälle, bei denen die Influenza ursächlich war. In Sommerein gab es am 28. September 1918 eine erste Tote, die an einer Lungenentzündung verstorben war. Anfang Oktober verstarben dann „plötzlich“ zwei weitere Bewohner an der Lungenkrankheit. Am 21. Oktober 1918 wurde bei der 20-jährigen Anna Grna dann die Wortfolge „Influenza – Lungenentzündung – Grippe“ als Todesursache angeführt. Bis Februar 1919 folgten acht weitere, erwachsene Influenzatote. In Sommerein ist aber auffällig, dass neben den Erwachsenen auch acht Kinder und Jugendlichen an der Spanischen Grippe verstorben waren.
Über die Gesamtzahl der Infizierten in Mannersdorf und den Nachbarorten in den Jahren 1918/19 sind derzeit keine Angaben greifbar. Es könnten aber mehr Einwohner erkrankt und wieder genesen sein. Auch zeitgenössische Quellen, wie das Brucker Bezirksblatt, berichteten nur am Rande über die Spanische Grippe in unsere Gegend.
Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges 1918 kehrten auch Mannersdorfer Soldaten zurück in die Heimat, in dieser Zeit waren viele Menschen unterwegs, sodass die Krankheit sehr leicht in die kleineren Orte eingeschleppt werden konnte. Auch das zögerliche Reagieren der Verantwortungsträger, die kriegsbedingte Zensur, das fehlende Wissen in der Bevölkerung, die unzureichende Hygiene und die mangelhafte medizinische Versorgung dürften mitgespielt haben.
Fotos: Collagen von zeitgenössischen Zeitungsbeiträgen und Sterbebucheinträgen