Ava Pelnöcker befasst sich in einem zweiteiligen Beitrag mit einer der bedeutendsten Mannersdorfer Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts – Friedrich Opferkuh (1923-1993). Ein Steinmetzmeister und Museumsgründer, der sein Leben dem Stein und seiner Bearbeitung widmete. Im Zuge des Beitrages soll der Meister posthum mit seinen nun erstmals veröffentlichten Zeilen zu den Mannersdorfer Steinmetzen zu Wort kommen.
Friedrich Opferkuh wurde am 1. Mai 1923 in Mannersdorf geboren. Sein Vater Karl entstammte der ortsansässigen Steinmetzfamilie Opferkuh, seine Mutter Maria Tatzber kam aus Sommerein, wo ihr Bruder Josef ebenfalls als Steinmetz tätig war.
Friedrich Opferkuh verbrachte seine Lehrzeit von 1937 bis 1940 bei der bekannten Firma Eduard Hauser, dem ältesten industriellen Steinmetzunternehmen Wiens (9. Bezirk, Spitalgasse 19) – wo auch schon Opferkuhs Vater und Großvater als Poliere gearbeitet hatten. Als Geselle war Friedrich nach dem Zweiten Weltkrieg am Wiederaufbau des Burgtheaters und der Staatsoper beteiligt. Ab 1947 besuchte er während der Wintermonate die Bauhandwerkerschule in Hallein mit dem Hauptfach Steintechnik. 1951 eröffnete er dann in Mannersdorf einen eigenen Steinmetz- und Steinbruchbetrieb, der heute von seinen Enkelkindern Friedrich und Juliane weitergeführt wird. Zu den Großaufträgen des Unternehmens gehörten Restaurierungen in der Wiener Schotten- und Michaelerkirche sowie den Palais Daun-Kinsky, Ferstel und Liechtenstein. In der Wiener Loos- bzw. American-Bar setzte die Firma Opferkuh überdies die berühmte Onyx-Wand instand.
Nach dem Tod seiner ersten Gattin Theresia Rebsch († 26. April 1970), die ihm Tochter Marianne und Sohn Friedrich schenkte, heiratete Friedrich Opferkuh in zweiter Ehe die aus Bruck an der Leitha stammende Leopoldine Windholz.
Als Obmann des Kultur- und Museumsvereins Mannersdorf gründete Opferkuh 1979 gemeinsam mit Heribert Schutzbier und anderen Enthusiasten das „Museum Mannersdorf und Umgebung“. In diesem richtete er 1987 auch die aus seiner Privatsammlung hervorgegangene Steinmetzabteilung ein, die von ihm betreut und ständig vermehrt wurde. In seinen spärlichen Mußestunden arbeitete er an einem Werk über Steinmetztechniken, das in gekürzter Form vom Mannersdorfer Stadtmuseum publiziert wurde.
Neben der Vielzahl von historischen Werkzeugen der Steinbearbeitung werden im Stadtmuseum auch die zahlreichen archäologischen Funde ausgestellt, die Opferkuh bei der Begehung der Mannersdorfer und Sommereiner Fluren entdeckte. Zunehmend befasste sich der Meister auch mit der Erfassung und Dokumentation von Kulturgütern in Mannersdorf und Umgebung. 1990 brachte Friedrich Opferkuh, neben Helmuth Furch, seine wertvolle Erfahrung bei der Gründung des Ortsmuseums in Kaisersteinbruch ein.
Friedrich Opferkuh verstarb viel zu früh am 20. April 1993 im Spital der Barmherzigen Brüder in Eisenstadt und wurde auf dem Mannersdorfer Ortsfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Das Marterl vor dem Wohn- und Geschäftshaus Hauptstraße 29 hat ihm sein Sohn Friedrich gewidmet, der dessen Aufstellung durch seinen tragischen Unfalltod am 12.Juli 2015 nicht mehr miterleben durfte.
Friedrich Opferkuh war weit über die Region des Leithagebirges hinaus für sein Fachwissen geschätzt und geachtet. Das Steinmetzhaus in Zogelsdorf hat seinem Leben und Wirken eine Schautafel gewidmet. Auch das Bundesdenkmalamt zog ihn immer wieder als Konsulent bei, etwa bei der geplanten Revitalisierung von Schloss Neugebäude in Simmering.
Unser Dank gebührt Juliane Maurer, die uns ermuntert hat, den nachfolgenden, bisher unveröffentlichten Bericht ihres Großvaters über den Arbeitsablauf im Mannersdorfer Hauser-Bruch zu veröffentlichen:
„Die Arbeit beginnt früh um halb sieben und dauert bis fünf, mit einer halbstündigen Frühstückspause und einer Stunde Mittagspause. Vor allem die älteren Arbeiter finden sich oft schon eine halbe Stunde vor Arbeitsbeginn in der Hütte ein, um sich von dem langen Fußweg zum Steinbruch zu erholen, während die Jungen meist erst auf die letzte Minute eintreffen. Manch einer kommt auch ein wenig zu spät!
Das Mobiliar in der Hütte besteht aus einfachen Tischen und Bänken wie beim Heurigen. Hier werden die Mahlzeiten eingenommen, Neuigkeiten ausgetauscht und politisiert. Die Arbeiter sitzen einander gegenüber, nur der Bruchmeister hat einen Tisch für sich allein.
Da ruft auch schon der Meister zum Beginn des Arbeitstages: ‚Auf geht´s!‘ Alle Männer erheben sich und folgen ihm schweren Schrittes. Sie tragen schweres Schuhzeug, das mit Eisel, Schusterköpfen und Spitzel versehen ist. Zur blauen Hose und Hemd, nebst dem unvermeidlichen Gilet mit Taschenuhr, trägt man den Fierta (Fürtuch), die blaue Schürze der Steinmetze, die entweder bis zu den Knöcheln reicht oder am Bund eingestrickt wird. Als Kopfbedeckung dient meist die Papierhaube, die richtig zu falten, eine der ersten Tätigkeiten ist, die der Altgeselle dem Lehrling beibringt.
Einer hinter dem anderen gehen die Männer im Gänsemarsch den Einschnitt entlang, der zur Sohle des Bruches führt. Mit einem Mal weitet sich der Hohlweg und man steht vor der Steinmetzhütte, einem aus roh behauenen Steinen errichteten Bau mit zwei großen Toren und etlichen kleinen, vergitterten Fenstern, die man mit Bretterläden verschließen kann: Darinnen befinden sich sechs, an die sechzig Zentimeter hohe Werkbänke, auf denen die Steine zur Bearbeitung aufgebänkt sind.
Die Werkbänke stehen im Abstand von einem Meter neben einander und sind nur bei jenen, die gröbere Arbeiten am Stein ausführen durch Splittergitter voneinander getrennt. An der Wand hängen einige Kästen mit Vorhangschlössern, etliche Zirkel, Schablonen, Winkel und Richteisen. In den Werkzeugkisten darunter befinden sich die erforderlichen Hand-, Breit- und Spitzeisen, die Kreindln, Peck- und Stockhämmer.
In einer Ecke des Raumes steht der Schleifstein, ein Quarzsandstein mit den Maßen 60x20x20 Zentimeter. Gleich daneben ein ausgehöhlter Stein mit dem Schleifwasser. Man verwendet einen an einen Stock gebundenen Fetzen um den Schleifstein damit anzufeuchten! Vor der Hütte steht die Steinmetzrodl, mit der der Rohwerkstein aufgebänkt wird.
Nun geht es ans Werk: Entweder hat man schon ein Werkstück zu bearbeiten oder der Bruchmeister teilt einem eine Arbeit zu. Die Gesellen reihum zeichnet eine große Ruhe bei ihrer Arbeit aus; jeder Schlag, den sie führen, sitzt!
Der Hüttenpolier hat ein besonders schwieriges Werkstück aufgebänkt, als ihn ein Geselle um Rat angeht. Der Polier klopft das Werkstück mit dem Schlögel ab. Schon am Klang kann er erkennen, dass der Stein einen Fehler hat. Hier am oberen Ende ist der Klang nicht hell und rein, sondern scheppert dumpf. Soviel steht fest, dieser Werkstein taugt nichts! Es wäre schade um die Arbeit!
In Steinwurfweite befindet sich die Schleiferei, wo die Werkstücke auf großen Steintischen von Hand geschliffen und poliert werden. Sind Fehlstellen auszubessern, wird unter einem Freibock ein Holzkohlenfeuer gemacht über dem die Steinschmelzkitte in einer flachen, eisernen Schüssel nach alten Rezepten hergestellt wird. Dazu benötigt man Kreide, Schellack und Oxidfarben. Der Kitt wird mit dem flachen Lötkolben auf die schadhafte Stelle aufgetragen und ist anschließend bereit zum Schleifen. Mit Schureisen, Quarzsand oder Korundumkörnung werden die Steine dann geschurt, d.h. geschliffen. Die Schleifer wissen um die richtige Mischung von Poliermittel, Zinnasche, Kleesalz und Schwefelblüte, die der Stein benötigt.
Nähert man sich den Steinbruch-Werkstätten, so hört man schon von weitem das Klopfen der Werkzeuge auf dem klingenden Stein. Man glaubt Musik zu hören, wenn die Steinmetze im Zweier- oder Dreiertakt arbeiten, wenn sich die Klänge des Spitzeisens mit denen des Stockhammers vermischen!
Doch der Schein trügt, die Arbeit ist sehr anstrengend und von Zeit zu Zeit hält der Steinmetz inne um sich mit dem Firta den Schweiß abzuwischen, der kleine Rinnsale im weißen Steinmehl hinterlässt. Die Hände werden bei der Arbeit am schlimmsten beansprucht und haben oft tiefe offene Risse, obwohl man sie mit Hirschtalg geschmeidig zu halten versucht. Besonders im Winter leiden die Hände unter den niedrigen Temperaturen. Oft ist es so kalt, dass bei Arbeitsbeginn die Eisen an der Haut kleben bleiben!
Verletzungen an den Händen waren an der Tagesordnung. Entweder schlug man mit dem Hammer daneben oder rutschte vom Meisselkopf ab und schon begann es zu brennen und zu bluten. Die Wunden behandelt man traditionellerweise mit reinem Steinstaub, der desinfiziert und bildet schnell einen Schorf.
Besonders gefährdet waren auch die Augen, denn beim Bossieren (bearbeiten) spritzten kleine Splitter weg und verfingen sich im Auge. In einem solchen Fall war man auf die Hilfe des Kollegen angewiesen. Mit seinen groben Händen zog der die Augenlider auseinander und entfernte mit Hilfe eines Taschentuches oder des Fürtuchzipfels den Fremdkörper. Manche verwendeten auch ein zur Schlaufe gebogenes Rosshaar aus dem Werkstattbesen. War es nachher noch nicht besser, dann würde der Splitter schon über Nacht herausgehen, war die Devise! Oft war die Hornhaut auch nur geprellt und tränte, denn Schutzbrillen verwendete man damals noch nicht!“, so berichtete Friedrich Opferkuh.
Fortsetzung folgt …
Foto 1: Meister Friedrich Opferkuh bei der Fassung eines hl. Florians (Archiv Karl Trenker)
Foto 2: Der Steinmetzmeisterbetrieb an der Hauptstraße in Mannersdorf anno dazumal (Archiv Karl Trenker)
Foto 3: Friedrich Opferkuh als gefragter Experte (Archiv Karl Trenker)
Foto 4: Der Steinmetzmeisterbetrieb war bereits unter Friedrich Opferkuh an großen Restaurierungsprojekten beteiligt (Archiv Karl Trenker)
Foto 5: Das Museum im Mannersdorfer Schüttkasten 1979 mit Friedrich Opferkuh, Heribert Schutzbier und Bürgermeister Johann Strobl (Archiv Friedrich Opferkuh)