Online-Gschichtl Nr. 153

Das Mannersdorfer Zementwerk zwischen 1918 und 1945

In zwei Beiträgen hat sich Michael Schiebinger bisher mit der Gründung und der Entwicklung des Mannersdorfer Zementwerkes bis 1918 beschäftigt. Diesmal widmet er sich der Werksgeschichte bis 1945.

 

Während des Ersten Weltkriegs litt auch die Produktion des Mannersdorfer Zementwerkes unter dem Kohlemangel. Es fehlte zudem an Personal, das vielfach für den Kriegsdienst eingezogen worden war. Der Ausbau des Werkes stockte, man versuchte seit 1915 eine neue Zementmühle fertigzustellen. In der Tongrube wurde zur Verbesserung der Tonförderung ein elektrischer Schrägaufzug mit anschließender Kettenbahn errichtet. Auch ein Arbeiterbad musste auf Wunsch der Aufsichtsbehörde im Werk eingerichtet werden. 1917 wurde zudem das bestehende Anschlussgleis am Werksgelände verlängert. Im Mannersdorfer Werk wurden während des Ersten Weltkrieges 22 russische Kriegsgefangene zwangsbeschäftigt, sie könnten aus dem nahen Lager in Kaisersteinbruch herangezogen worden sein. Lokale Arbeitskräfte waren nur schwer zu finden, da die verbliebenen Männer vielfach zu alt, ungeschult oder unterernährt waren.

Nach dem Kriegsende und der Gründung der Ersten Republik ging man in den 1920er-Jahren unter Direktor Gustav Pahler an den weiteren Ausbau des Werkes in Mannersdorf. Dazu wurden 1926 von der Marktgemeinde Grundstücke im Bereich der Tongrube angekauft sowie das Rohstofflager vergrößert. Die damalige Stundenleistung in der Packerei umfasste 360 Säcke Zement, in Mannersdorf wurden damals keine Zementfässer mehr verwendet. 1925 wurde auch das Steinbruchgelände vergrößert, nachdem die Marktgemeinde Mannersdorf der Perlmooser AG entsprechende weitere Grundstücke verkauft hatte. Seit 1927 produzierte das Werk einen früh-hochfesten Portlandzement, 1933 kam der Eisenportlandzement als Produkt hinzu. Ebenso wurde 1927 eine eigene Prüfanstalt mit Laborbetrieb eingerichtet. Die kurze Konjunktur ermöglichte die Errichtung eines vierten Drehofens, der nun 62 Meter lang war. Mit dem Ausbau um 1930 war somit das „Werk B“ samt Elektrowerkstätte entstanden.

Nicht nur am Werksgelände, sondern auch im Markt Mannersdorf selbst wurde das Zementwerk aktiv. 1928 wurden die Mannersdorfer Liegenschaften der Cornides und Kühmayer AG an die Perlmooser AG veräußert. Damit kam das ehem. Badegebäude in den Besitz der Zementwerke. Der von Zentraldirektor Theodor Pierus forcierte Ankauf erfolgte zur Linderung der Wohnungsnot, so wurden im ehem. Badegebäude 50 Wohnungen eingerichtet. Das Gebäude führt seit damals die Bezeichnung „Perlmooserhof“ oder „Fabrikshaus“. Trotz der tristen Auftragslage in der Zwischenkriegszeit wurden weitere Wohneinheiten für die Mannersdorfer Belegschaft ausgeführt. Man erkannte, dass die Lebensumstände der Arbeiter auch Auswirkung auf deren Produktivität hatten. Die Standesunterschiede zwischen den Teilen der Belegschaft offenbarten sich dennoch in der Art der Wohnungsgestaltung. So wurde 1924 bei der Steinbruchzufahrt ein Einfamilienhaus errichtet. Dieses sollte ein „gediegen auszustattendes Wohnhaus“ für den Steinbruchmeister werden, wie es die Zentraldirektion vorsah. Für die Arbeiter waren statt der Einfamilienhäuser hingegen Mehrparteienhäuser vorgesehen. 1924 wurde daher ein großes Arbeiterwohnhaus für 12 Familien und ein Beamtenwohnhaus für drei Familien vollendet. 1926 sollte ein weiteres zweigeschossiges Arbeiterwohnhaus errichtet werden.

Eine prägende Persönlichkeit der Zwischenkriegszeit war Theodor Pierus. Von 1891 bis zur Fusion mit der Perlmooser AG fungierte Pierus als Direktor der Kaltenleutgebener AG. Von 1905 bis 1939 sollte Pierus als Zentraldirektor der Perlmooser AG die Firmengeschichte wesentlich beeinflussen. Neben den Ausbauprojekten im Werk Mannersdorf, erkannte Pierus die Notwendigkeit geeigneten Wohnraum für die Beschäftigten zu schaffen. Sein soziales Verantwortungsbewusstsein zeigt sich auch in dem von ihm gegründeten und nach ihm benannten Unterstützungsfonds. Theodor Pierus verstarb 1941.

Mit der Ausschaltung der Demokratie und der Etablierung der Ständestaatdiktatur wurden alle Parteien außer der Vaterländischen Front verboten. Die überwiegend sozialdemokratische und kommunistische Arbeiterschaft des Werkes verlor so ihre politischen Repräsentanten, die fortan im Verborgenen agieren mussten. In der Belegschaft gab es aber sicher auch illegale Nationalsozialisten, wenn man auf die Wahlergebnisse in Mannersdorf vor 1933 blickt.

Nach dem sog. „Anschluss“ 1938 wurde auch das Mannersdorfer Werk unter den Nationalsozialisten gleichgeschaltet. Der anfängliche Aufschwung während der Rüstungsproduktion im Zweiten Weltkrieg führte zu einer Steigerung der Mannersdorfer Jahresproduktion auf 260.000 Tonnen. Bereits 1938 ging man unter Direktor Eduard Goes an den Ausbau des Werkes. Wobei man auf Bauvorleistungen von 1930 zurückgreifen konnte, die damals wegen der wirtschaftlichen Lage nicht vollendet worden waren. Die Belegschaft war in der NS-Zeit auf 935 (!) Mitarbeiter angewachsen, das Werk galt dennoch als „durchrationalisiert“. 1939 gab es Überlegungen für einen sechsten Ofen. Der „Fünferofen“ war damals bereits in Bau und konnte im Mai 1940 mit 62 Metern Länge in Betrieb genommen werden. Im gleichen Jahr wurde auch das sog. „Gefolgschaftshaus“ im Steinbruch unter Teilnahme des Gauleiters eröffnet. Unter der „Gefolgschaft“ war in der NS-Diktion die Belegschaft des Werkes zu verstehen. Ebenso 1940 ging die neue Lehrwerkstätte (ca. 20 bis 30 Lehrlinge) in Betrieb, zu deren Eröffnung abermals hohe NS-Funktionäre anwesend waren. Der Tagesablauf war auch hier straff organisiert und ideologisch geprägt. Zur „Förderung der körperlichen Ertüchtigung“ wurden in den Werken Sportplätze errichtet und das Kleinkaliberschießen eingeführt. „Gefolgschaftsbüchereien“ mit einschlägigen Propagandawerken entstanden und auch die Feierabendgestaltung sollte organisiert erfolgen. Kriegsbedingt waren im Werk auch einige Splitterschutzbunker angelegt worden, im Werksbereich bestand auch eine Fliegerabwehrstellung. 1944 wurde im Werk ein „Betriebsappell“ abgehalten, bei dem NSDAP-Kreisleiter Silbernagl sich mit einer Propagandarede an die Belegschaft wandte.

 

Im Mannersdorfer Zementwerk, besonders in der Tongrube, waren auch Kriegsgefangene zwangsweise beschäftigt. Leider lässt sich zu dieser Phase der Werksgeschichte noch zu wenig sagen, da die NS-Zeit bisher weder für das Werk noch für Mannersdorf eingehend aufgearbeitet wurde. Es ist aber anzunehmen, dass die Zwangsarbeiter aus dem STALAG XVII A in Kaisersteinbruch rekrutiert wurden. In dem 1939 ausgebauten Lager waren zwischen 25.500 und 53.000 Insassen interniert, darunter vor allem Franzosen, Russen und Italiener. 

Foto 1: Ansicht des Zementwerks von Süden, 1929 (Archiv Lafarge Zementwerk Mannersdorf)

Foto 2: Weitere Ansicht des Zementwerks, 1929 (Archiv Lafarge Zementwerk Mannersdorf)

Foto 3: Der Steinbruch des Zementwerks im Jahr 1921 (Archiv Lafarge Zementwerk Mannersdorf)

Foto 4: Ausbau des ehem. Badegebäudes zum Perlmooserhof, 1929 (Archiv Michael Schiebinger)

Foto 5: Zentraldirektor Theodor Pierus (Archiv Lafarge Zementwerk Mannersdorf)

Foto 6: 1940 eröffnete Lehrwerkstätte (Archiv Lafarge Zementwerk Mannersdorf)

Foto 7: NS-Gefolgschaftshaus im Steinbruch, 1940 (Archiv Lafarge Zementwerk Mannersdorf)

Foto 8: Kriegsgefangene Zwangsarbeiter in der Tongrube, um/nach 1940 (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)