Online-Gschichtl Nr. 114

Die Wasenbrucker Schulgeschichte - Von der Arbeitersiedlung zur Ortschaft

Im zweiten Teil seines Beitrages widmet sich Johann Amsis diesmal der weiteren Entwicklung der Wasenbrucker Schule bis zu deren Schließung in den 1960er-Jahren.

 

Ein großes Anliegen der Arbeiterschaft blieb in der Zwischenkriegszeit die Errichtung eines Kindergartens in Wasenbruck. Durch großen Einsatz von Mathias Niessl und den Sozialdemokraten konnte das Ansinnen bei der Gemeinde, beim Land und der Firma Hutter und Schrantz durchgesetzt werden. Die Pläne für das Kinderheim wurden vom bekannten Architektenduo Alfons Hetmanek und Franz Kaym erarbeitet. Da das Mitterndorfer Flüchtlingslager im Jahr 1919 langsam aufgelöst wurde, stand nun die dortige Lagerkirche leer. Das brauchbare Material dieses Gebäudes wurde von der Wasenbrucker Arbeiterschaft abgebaut, zu uns gebracht und beim Bau des Kindergartens/-heimes eingesetzt. 1926 fand dessen Eröffnung statt.

Den Höchststand an Schülern erlebte Wasenbruck 1920 mit 130 Kindern, 70 Buben und 60 Mädchen. Wenn man darüber nachdenkt, wie viele Kinder noch nicht im schulpflichtigen Alter waren, dann werden es im Ort wohl an die 230 bis 250 Kinder gewesen sein. Dass man da sehnsüchtig einen Kindergarten und eine zweite Schule haben wollte, erklärt sich von selbst. Von 1927 bis 1933 war Karl Sching Schulleiter, der infolge wohl aus politischen Gründen weichen musste. Während der Ständestaatdiktatur war Josef Handler von 1934 bis 1938 Schulleiter. Im Bürgerkriegsjahr 1934 wurde auch der Wasenbrucker Ortsschulrat aufgelöst, da mit Ausnahme des Verwalters der Firma Hutter und Schrantz alle Mitglieder der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei angehört hatten.

Unter den Nationalsozialisten wurden die Schulleitungen überall mit nun „genehmen“ Personen besetzt und die Ständestaatsfunktionäre aus den Ämtern entfernt. Ab 1938 bis 1941 war Karl Oels Schulleiter, dann wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Während der Kriegsjahre gab es daher ständige Wechsel bei der provisorischen Schulleitung. Ernst Stummer, Anna Weiser, Gertrude Kucher, Hedwig Wagner, Margarete Ambroz und Christine Renner folgten einander nach. 1946 kehrte Karl Oels aus der Kriegsgefangenschaft heim und trat wieder die Stelle des Schulleiters an. Bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1968 leitete Oels denn die Wasenbrucker Schule.

Am 24 Dezember 1950 berichtet der Bezirksbote über die vorangegangene Gemeinderatssitzung: „Über Antrag des Gemeinderates Anton Valek (SPÖ) wird die Gemeinde der Firma Hutter und Schrantz einen Grund neben der Fabrik für Sportanlagen und ein Gerätehaus zu möglichst billigem Preis überlassen. Es handelt sich um etwa 3000 Quadratmeter Grund. Dem Antrag des Referenten wird einstimmig die Zustimmung gegeben. Gemeinderat Oberlehrer Öls unterstützte den Antrag und berichtete, dass die Firma eine Schulklasse mit den neuesten Schulmöbeln einrichtet. Einstimmig wurde auch beschlossen, dass den beiden Siedlern Josefa Pohl und I. Haselhan ein Grund im Siedlergelände Wasenbruck zugewiesen wird.“

Im Frühjahr 1962 begann auch für mich der „Ernst des Lebens“, eines Tages hieß es „Schuieischreibung is“, hinein in das Sonntagsgewand. „Gschneitzt und kampet“ ging es mit meinem Vater in die Große Schule, um die Schulreife festzustellen. Das bedeutete, dass ich vom Herrn Direktor „begutachtet“ wurde, ob mir schon Zahlen und Buchstaben bekannt sind. Ich musste mit Kreide an der Tafel Männchen und anderes malen. Kurz und gut, ich wurde genommen und meine Schulzeit konnte 1962/63 beginnen. Unsere Lehrerin war Ingeborg Bohrer, eine sehr liebe und nette Person, mit viel Einfühlungsvermögen – sie hat uns das Eingewöhnen in den Schulbetrieb sehr erleichtert. Frau Bohrer kam alle Schultage mit ihrem Mann in einer Citroen-Ente vorgefahren. Herr Bohrer hatte einen beeindruckenden Vollbart und unterrichtete, so glaube ich, in Mannersdorf. Bis die Lehrerin erschien kam ein älteres Mädchen von der Großen Schule, um uns zu beaufsichtigen. Meist war dies Rosita (Lengal) Huemayer oder Heli (Fekete) Schallerl. Mit strenger Miene wurden wir angehalten, ja keinen Unfug zu machen. Rosita schaffte es, da sie uns gut zuredete, manchmal aber auch schimpfte. Heli hingegen schlug mit dem Rohrstaberl auf den Schreibtisch: „Ah Ruah is, sunst schebads“ und es war Ruhe, hier gab es keinen Wiederspruch.

Einer der ersten Eindrücke von der Schule, der mir bis heute in Erinnerung ist, ist diese große Schultafel. Dieses Geräusch, wenn die Kreide quietschte und dann abbrach, oder wenn die Tafel mit einem trockenen Fetzen abgewischt wurde, oder wenn ich mit dem Schwamm die Tafel reinigen musste. Die Hände, die dann trockneten, so der Belag auf den Händen klebte, dieses Gefühl, vor dem graust mir noch heute. Ebenso vor mir habe ich noch, wie wir den ersten Buchstaben gelernt haben. Das Lesebuch, das wir alle hatten, wurde aufgeschlagen auf der Seite mit einem Birnenbaum und die Lehrerin fragte: „Wer will eine Birne?“ Alle mussten dann Antwort geben: „I, I, I“ und schon war der erste Buchstabe erlernt.

In der Klasse waren damals drei Schulstufen gemeinsam untergebracht. Die erste Schulstufe lernte lesen, während in der zweiten ein Aufsatz zu schreiben war und die dritte gerade eine Rechenaufgabe zu lösen hatte. So wurden alle beschäftigt und so manche Erstklässler bekamen schon den Stoff der Drittklässler intus, ohne dass es ihnen aufgefallen wäre.

Eine Pause brauchten wir natürlich auch, in der warmen Jahreszeit wurde diese im kleinen Schulgarten verbracht. Eine gute Jause war da ein Schmalzbrot oder eine Wurstsemmel mit Gurkerl um einen Schilling fünfzig aus dem Konsum. Am Freitag gab es hingegen nur eine Semmel mit Burgkäse (Lipptauer), der fleischlose Wochentag wurde nämlich auch in der Schule streng eingehalten. Für die Turnstunde mussten wir zusammenpacken, um in den Turnsaal im Kinderheim zu wechseln. Da gab es ganz unterschiedliche Turngeräte, eine Sprossenwand, einen Barren, einen Bock, ein Pferd und dicke Seile mit Ringen, die von der Decke herunterhingen. Wasenbruck hatte ja seit seinem Bestehen viele gute Leichtathleten hervorgebracht, deren Namen noch heute im Ort bekannt sind. Mir persönlich war es aber immer lieber, wenn wir auf die Heimwiese Völkerball spielen gegangen sind.

Auch der erste Schulausflug durfte nicht fehlen, der war eine Wanderung in die Mannersdorfer Wüste. Dieser Fußmarsch begann schon in Wasenbruck bei der Schule, für die kleinen Sechsjährigen war das nicht so ohne, wir mussten ja nicht nur in der Wüste, sondern auch wieder zu Fuß zurück nach Wasenbruck marschieren. Ausgerüstet mit den alten grünen Jägerrucksäcken am Rücken, eine ordentliche Jause mit „Bergwuascht“ und einem Blechhäferl fürs Bründlwasser. Der Fußmarsch war schon eine „Marterei“, aber der schöne Spätfrühlingstag und der Anblick vom Kloster St. Anna entschädigte uns für die ganzen Mühen. Der Höhepunkt war aber das „Bacherlspringen“ beim Übergang zum Weg auf die Ruine Scharfeneck. Hinauf haben wir es damals nicht geschafft, aber das Pritscheln beim Bacherl war herrlich.

Im Schuljahr 1963/64 war Herbert Mikulic unser Lehrer, er kam aus Wien – später war er auch mein Lehrer in der ersten Hauptschulklasse. Im Schuljahr 1964/65 war dann Helmut Kittinger aus Hof unser Lehrer in der Wasenbrucker Schule. Der Unterricht verlief in diesen Jahren ähnlich wie im ersten Schuljahr ab, die dritte Klasse bedeutete mein letztes Jahr in der „Kleinen Schule“. Mit meinem vierten Schuljahr 1965/66 wechselte ich dann in die „Große Schule“, wo Direktor Karl Oels unterrichtete.

 

Mit dem Schuljahr 1966/67 mussten alle Wasenbrucker Schüler ab der fünften Klasse nach Mannersdorf in die Hauptschule fahren. Als erster Jahrgang wurde wir, nach gut 64 Jahren Schulbetrieb in Wasenbruck, in Vorbereitung auf die komplette Schulschließung, nach Mannersdorf in die Hauptschule beordert. Unsere Volksschüler durften noch drei weitere Jahre bis zur Pensionierung von Direktor Oels in Wasenbruck die Schule besuchen. Ab dann mussten auch die kleinen „Hascherln“ nach Mannersdorf in die Volksschule pendeln. Mit dem Schuljahr 1967/68 wurde die Wasenbrucker Schule komplett geschlossen und ihrem langsamen Verfall preisgegeben. Leider ist es mir nach meiner Schulzeit nicht mehr gelungen, einen Blick in das Innere unserer alten Schulgebäude zu werfen. Die beiden standen bis in die 1990er-Jahre leer und waren bereits desolat. Eines Tages ist dann das Dach der Großen Schule eingestürzt, der damalige Gastwirt Franz Krenn hat die Reste der Schule entfernt und an ihrer Stelle einen Parkplatz errichtet. Die kleine Schule wurde ebenfalls abgetragen, das Jahr des Abrisses ist mir leider nicht mehr in Erinnerung. Unglaubliche 53 Jahre sind nun schon vergangen, seit die Schule in Wasenbruck geschlossen wurde. Ein Stück Ortsgeschichte ging damit verloren, aber zumindest sind unsere Kindheitserinnerungen geblieben.


Foto 1: Das Wasenbrucker Kinderheim (Kindergarten) (Tätigkeitsbericht des Gemeinderates, 1929)

Foto 2: Klassenfoto der Wasenbrucker Schule, 1949 (Wasenbrucker Heimatseite/Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 3: Klassenfoto mit Direktor Karl Oels, 1950/51 (Wasenbrucker Heimatseite/Sammlung Theobald Grohotolski)

Foto 4: Schulklasse mit Lehrerin Ingoborg Bohrer, 1961/62 (Johann Amsis)

Foto 5: Schulklasse mit Lehrer Herbert Mikulic, 1963/64 (Johann Amsis)

Foto 6: Neubau der Mannersdorfer Hauptschule (Archiv Michael Schiebinger)

Foto 7: Erste Fahrt mit dem Schulbus nach Mannersdorf, 1967/68 (Kurt Tobler)