Um das eigentliche Straßendorf, das bis heute den Kern von Mannersdorf bildet, sind im Laufe der Jahrhunderte neue Viertel und Siedlungen entstanden. Diese teils sehr unterschiedlichen Ortsteile und ihre Bewohner haben unsere Stadt stets geprägt. Michael Schiebinger wirft daher heute einen Blick auf die „Neustift“.
Die Neustift oder Neustiftgasse ist weder ein kurzer noch besonders langer Straßenzug, kein breiter Boulevard und kein schmales Gassl. Man findet dort weder besonders hohe oder hervorstechende Gebäude, eine typische „Vorstadt“gasse eben. Und doch ist die Neustift, die sich zwischen dem Stadtpark und der Sommereinerstraße erstreckt, eine der ältesten Ortsteile von Mannersdorf. Und ihre Bewohner, die Neustiftler, haben doch eine recht selbstbewusste, eigene Ortsverbundenheit, um nicht zu sagen Identität aufgebaut.
Die erste, bekannte Erwähnung der „Vorstadt“ fällt in das Jahr 1565, da werden die „Neustiftler gen Sommerein“ genannt, die 5 Hofstätten zählten. Weitere Neustiftler gab es im Bereich der Pfarrkirche und an der Hofer Straße. Wie der Name schon anklingen lässt, war „Neustiftler“ zunächst ein Überbegriff für alle Bewohner, die sich außerhalb des Marktes und seinen Mauern angesiedelt und neue Wohnstätten gegründet hatten. Im Laufe der Zeit setzte sich die Bezeichnung „Neustift“ letztlich für die Vorstadt vor dem Sommereiner Tor durch. Waren es 1565 noch 5 Hofstätten, wurde vier Jahre später bereits von 15 Häusern in der Neustift gesprochen. Danach blieb die Häuseranzahl konstant, 1648 gab es 16 Gebäude. Die kleine Vorstadt könnte im Zuge der Wiederbesiedlung unserer Gegend durch Kroaten nach der ersten Türkenbelagerung 1529 entstanden sein. Die bleibende Gefahr durch Angriffe der Osmanen und der aufständischen Ungarn, aber auch der Dreißigjährige Krieg dürften dann den Zuzug und den Siedlungsausbau gebremst haben. Erst nach der Zweiten Türkenbelagerung 1683 und mit dem Aufschwung im 18. Jahrhundert scheint auch die Neustift wieder aufgelebt zu sein. Dafür spricht besonders der Umstand, dass im Jahr 1787 die „Neustifft gegen Sommerein“ bereits auf 40 Häuser angewachsen war. Im Biedermeier lässt die Perspektivkarte von 1837 bereits den heutigen Straßenzug mit den beiden teils giebelständigen Häuserreihen erkennen. Auf der Karte der Francisco-josephinischen Landesaufnahme von 1873 ist die Neustift sogar als eigener Ortsteil ausgewiesen und als kompakte Siedlung mit über 30 Häusern dargestellt.
So bestand die Neustift noch lange in das 20. Jahrhundert hinein aus kleinen Häusern in langgestreckter Bauform mit Giebelfassaden zur Straßenseite hin. Parallel zu den Häusern bestanden jeweils ein Hof, der mit einem Einfahrtstor und einer Mauer von der Straße abgeschirmt war. Sprang die Bauflucht zurück, so bestand auch ein „Spionfenster“ auf der Schmalseite. Die eingeschossigen Bauten waren einfach und schlicht gestaltet, ihre Bewohner waren sog. „Kleinhäusler“. Sie besaßen ein paar Hühner und Schweine, vielleicht auch eine „Goaß“, mit denen sie sich selbst versorgen konnten. Für ein Gemüsegartl war im Hof womöglich auch noch Platz, sonst besaß man außerhalb einen Grund oder pachtete diesen. Auch im Inneren lebte man bescheiden, „Zimmer, Kuchl und Kabinett“ eben. Die Decken waren aus Holz, der Boden aus Lehm und Holz und die Mauern waren eine Mischung aus dem, was man zum Bau gefunden hatte. Die Urgroßmutter des Autors, Juliane Kühschitz, bewohnte – wie auch mancher Nachbar – noch in den 1970er-Jahren ein solches Haus. Mittlerweile sind nur noch einzelne giebelständige Häuser der Neustift erhalten. Verschwunden ist auch die Greißlerei von Heinrich Berthold, diese befand sich zur Jahrhundertwende im Eckhaus gegenüber dem Park. Ebenso Geschichte ist der Schöpfbrunnen mit dem Rad, der sich in der Neustift befand und die Bewohner einst mit Wasser versorgte. Und vom Gassl, das sich beim Park von der Neustift zur Sommereinerstraße erstreckte, bestehen auch nur noch die Gschichtln von den dortigen „notdürftigen Hinterlassenschaften“. In der „Neigstift draußen“ hat sich also einiges verändert, doch ihren besonderen Charakter hat diese Gasse, dieser Ort, nicht verloren.
Foto 1: Neustift um 1960 (Archiv Karl Trenker)
Foto 2: Neustift im Biedermeier (Perspectiv-Karte, F. X. Schweickhart, 1837)
Foto 3: Greißlerei Berthold am Westende der Neustift, 1912 (Archiv Karl Trenker)
Foto 4: Typischer Wohnraum der einstigen Giebelhäuser, um 1980 (Archiv Karl Trenker)
Foto 5: Radbrunnen in der Neustift mit der "Gubier Moam", um 1960 (Archiv Karl Trenker)
Foto 6: Neustift Nr. 17, Karl Opferkuh am Fenster, 1913 (Archiv Karl Trenker)
Foto 7: Neustift 1873, Franzisko-Josephinische Landaufnahme (Wikipedia)