Online-Gschichtl Nr. 130

Das Schmiedehandwerk in Mannersdorf

Eines der wichtigsten Handwerke war in der Vergangenheit das Schmieden, dem Michael Schiebinger den heutigen Beitrag widmet.

 

Das Schmieden ist eines jener Handwerke, das bereits in der Ur- und Frühgeschichte bestand. Im Mannersdorfer Stadtmuseum sind einige Metallarbeiten ausgestellt, die Zeugnisse der frühen Schmiede und ihrer Tätigkeiten sind. Spätestens im Mittelalter hatten sich verschiedene Vertreter des Handwerks auf bestimmte Werkstücke spezialisiert, neben Waffen- und Rüstungsschmiede waren natürlich auch die Arbeiten der Huf- und Werkzeugschmiede gefragt. Das alteingesessene Handwerk war in vielen Orten präsent, natürlich auch in Mannersdorf. Zum Schmied kamen die Wagner zur Bereifung ihrer Holzräder, die Steinmetze holten ihre geschmiedeten Werkzeuge, die einen brauchten eine Kette und die anderen benötigten einen Bohrer – die Kundenwünsche waren vielseitig und die Auftragslage war gut.

Zur Jahrhundertwende waren in Mannersdorf drei Huf- und Wagenschmiede tätig, es waren dies Julius Fleissig, Valentin Kolb und Martin Rosner. Jeder Mannersdorfer Schmied hatte seine eigene Kundschaft, ging man zu dem einen Schmied, dann blieb man dort auch dauerhaft Kunde. Gearbeitet wurde in der Schmiede von vier Uhr am Morgen bis um acht Uhr am Abend. Die Werkstätten befanden sich bei den Wohnhäusern, früher bestand ja eine enge Bindung zwischen Wohn- und Arbeitsstätte der Handwerker. Das offene Feuer und die hohen Temperaturen waren nicht ungefährlich. Trotz gemauerten und gewölbten Werkstatträumen waren die Schmieden, neben den Backöfen, die hauptsächlichen Ausgangspunkte von Großbränden. Die Hitze und die glühenden Werkstücke sorgten aber auch für schwere Verletzungen, die mangels medizinischer Versorgung lebensbedrohlich werden konnten.

Das Motiv der Schmiede inspirierte stets auch Künstler, in den 1940er-Jahren schuf bspw. Edmund Adler mehrere Gemälde mit der Innenansicht einer alten Schmiede. Als Vorlage diente ihm dabei die Siegl-Schmiede am Götzendorfer Hauptplatz. Mehrmals ging er zu Fuß in den Nachbarort, um dort alle Details der Dorfschmiede für das Gemälde zu skizzieren. Dies konnte immer nur am Wochenende geschehen, als der Betrieb ruhte. Eines der Gemälde widmete der Maler den Götzendorfer Schmieden selbst, das Werk „Nach der Arbeit“ zeigt Meister Hans Huber und seinen Gesellen Franz Eibl – das Werk ist heute in der Edmund-Adler-Galerie zu sehen.

Waren zur Jahrhundertwende noch drei Schmiede in Mannersdorf tätig, so hatten 1938 noch Martin Rosner und Franz Wolf ihre Werkstätten in Betrieb. Mit der Industrialisierung von Metallprodukten und der Motorisierung verloren die alten Dorfschmiede ihre Arbeitsfelder und Kunden. Als die Pferdefuhrwerke verschwanden, konnten nur wenige Hufschmiede ihr Handwerk fortführen. Mit der letzten Generation der Mannersdorfer Schmiedemeister starb letztlich auch das Handwerk bei uns aus. Einzig der verwandte Beruf des Schlossers konnte noch bei Hutter und Schrantz in Wasenbruck, aber vor allem im Mannersdorfer Zementwerk länger fortbestehen.

Blicken wir auf die Biografien der Mannersdorfer Schmiede und beginnen wir gleich mit einer interessanten Lebensgeschichte. Julius Fleißig (auch Fleissig) war in Mannersdorf Chur- und Hufschmied, zudem dürfte er einige Zeit auch als „Militärschmied“ tätig gewesen sein. Churschmiede waren wie Kunstschmiede mit anspruchsvolleren Arbeiten beschäftigt. Fleißig war 1849 im Wiener „Gebärhaus“ auf der Alserstraße zur Welt gekommen. Er war das uneheliche Kind der Amalia Fleißig aus Ungarn, die jüdischen Glaubens war. Wie andere uneheliche, jüdische Kinder in der damaligen Zeit wurde auch Julius zwangsgetauft. Er wurde eines der unzähligen Wiener Findelkinder und verbrachte seine ersten Jahre bis 1859 in der Anstalt auf der Alserstraße. Sein weiterer Lebensweg ist vorerst unbekannt, womöglich kam er aber in eine Handwerksfamilie mit Schmiedebetrieb und wurde so mit dem Handwerk vertraut. 1882 heirate Julius Fleißig dann Anna Schink aus St. Ulrich bei Steyr. Wie und wann das Paar nach Mannersdorf kam, konnte nicht geklärt werden, auch kamen hier keine Kinder der beiden zur Welt. Fleißig war jedenfalls um die Jahrhundertwende bei uns tätig, ehe er im Jänner 1905 mit nur 55 Jahren unerwartet an den Folgen eines Magengeschwürs verstarb. Witwe Anna Fleißig dürfte nach dem Tod ihres nach Wien gegangen sein, wo sie in der Rainergasse auf der Wieden wohnte. Als sie 1936 in Wien verstarb, wurde sie nach Mannersdorf überführt und bei ihrem Gatten beigesetzt.

Josef Riedmüller stammte aus Haringsee im Marchfeld, wo er 1852 als Sohn eines Wirtschaftsbesitzers zur Welt gekommen war. Später erlernte er das Handwerk des Huf- und Churschmieds. Riedmüller war den Geburtseintragungen seiner Kinder zufolge zwischen 1890 und 1910 als Schmiedemeister in Bad Deutsch Altenburg tätig. Da Tochter Leopoldine 1915 in Mannersdorf Rupert Sollak, den Sohn des hiesigen Baumeisters, zum Mann nahm, dürfte die Familie Riedmüller vor oder während des Ersten Weltkrieges hierhergezogen sein. Vater Josef Riedmüller war im Marktflecken Mannersdorf weiterhin als Kunstschmied tätig.

Die in Mannersdorf alteingesessene Familie Kolb war über Generationen hinweg im Schmiedehandwerk vertreten. Bereits Jakob Kolb war Ende des 18. Jahrhunderts Hufschmiedemeister, sein Sohn Franz sollte dieses Handwerk fortführen. Im Jahr 1834 heiratete der 34-jährige Hufschmied Franz Kolb die erst 18-Jährige Katharina Karanitsch. Dem Paar wurde 1839 Sohn Valentin geboren, der das Schmiedehandwerk erlernen und den Familienbetrieb nach dem baldigen Tod von Vater Franz fortführen sollte. 1867 nahm Valentin die ein Jahr jüngere Maria Graf zur Frau. Ihr beider Sohn Valentin jun. kam 1870 zur Welt und sollte später ebenso den Beruf des Vaters erlernen. 1899 heiratete Valentin jun. die etwas jüngere Maria Hofschneider. Der Bräutigam war damals bereits Schmiedemeister und dürfte alsbald die Werkstatt des Vaters übernommen haben. Valentin Kolb jun. führte das Handwerk dann gut 20 Jahre lang, ehe er im Juli 1920 verstarb. Valentin jun. und Maria Kolb hatten die Töchter Maria und Anna, aber offenbar keinen Sohn, sodass das Familienhandwerk nicht fortgeführt werden konnte.

Die Familie Rosner (auch Rossner oder Roßner) war wohl eine der bekanntesten Schmiedemeisterfamilien von Mannersdorf. Martin Johann Rosner (II.) begründete den hiesigen Familienzweig. Er war im Jänner 1871 in Hetzendorf zur Welt gekommen und der damals noch uneheliche Sohn des gleichnamigen Martin Rosner und der Magdalena Rumpold. Vater Martin (I.) war Schmiedegehilfe aus Höflein an der Thaya/Hevlín in Südmähren, Mutter Magdalena stammte hingegen aus Sommerein. Die Familie Rosner war bereits im mährischen Höflein im Schmiedehandwerk tätig gewesen. Martin sen. und Magdalena blieben zunächst in Wien, wo sie in der Himberger Straße wohnten. Sie „legitimierten“ nun auch ihre Verbindung und heirateten 1873 in Sommerein, dem Heimatort der Braut.

Sohn Martin Johann (II.) sollte den Schmiedeberuf des Vaters fortführen und lernte später die knapp 20-jährige Theresia kennen, die die Tochter des Inwohners Johann Berger aus Trautmannsdorf an der Leitha war. Das junge Paar wohnte damals in der Leystraße 133. Martin Johann war bereits als Hufschmiedegehilfe tätig. Im Oktober 1896 kam das erste gemeinsame Kind des Paares, Tochter Leopoldine noch unehelich zur Welt. Im März 1897 nahm dann Martin Johann seine Theresia in Wien-St. Brigitta zur Frau. Bald danach dürfte die junge Familie nach Mannersdorf übersiedelt sein, da hier bereits 1898 Tochter Maria zur Welt kam. Die Familie Rosner war sehr kinderreich, neben Leopoldine und Maria kamen noch Theresia (*1900), Martin (*1901), Magdalena (*1903), Elisabeth (*1905), Friederike (*1910, verheiratete Dunshirn), Karl (*1912) und Hermine (*1918) dazu.

 

Martin Rosner (III.), der im Juni 1901 zur Welt gekommen war, sollte das Handwerk seines Vaters und Großvaters erlernen – er setzte so die über Generationen reichende Familientradition fort. Martin (III.) vermählte sich 1932 mit Magdalena, der Tochter des Gastwirts Mathias Pillitsch, und führte den elterlichen Betrieb als Schmiedemeister fort. Daneben war er lange Zeit in der Burschen- und später in der Ortskapelle als Musiker tätig. Rosner wurde für seine Verdienste um das Mannersdorfer Musikwesen zum Ehrenkapellmeister ernannt. Während des Zweiten Weltkrieges stand noch Vater Martin (II.) mit über 70 Jahren am Amboss, um den eingerückten Sohn zu vertreten. Sein Sehvermögen war damals schon beeinträchtigt, war doch ein Auge durch einen Splitter in der Werkstatt schwer verletzt worden. Sohn Martin Rosner (III.) führte den Betrieb dann in der Nachkriegszeit noch fort und verstarb im Juli 1968. Mit ihm ist auch einer der letzten seines Standes zu Grabe getragen worden.


Foto 1: "Nach der Arbeit" in der Götzendorfer Siegl-Schmiede, Edmund Adler (Hans Amelin, Edmund-Adler-Galerie)

Foto 2: Rosner-Schmiede im Jahr 1984 (Archiv Hans Amelin)

Foto 3: Porträt von Schmiedemeister Martin Johann (II.) Rosner (Das Kleine Volksblatt, Mai 1941)

Foto 4: Grabmal von Schmiedemeister und Ehrenkapellmeister Martin (III.) Rosner (Michael Schiebinger)