In Mannersdorf bestehen heute zwei große Schulgebäude des 20. Jahrhunderts, erhalten geblieben ist glücklicher Weise aber auch das historische Schulhaus an der Hauptstraße. Michael Schiebinger sieht sich heute die Entstehungs- und Baugeschichte der Alten Volksschule an …
Im Herrschaftsarchiv Scharfeneck (im Österreichischen Staatsarchiv) befindet sich ein umfangreicher Akt der 1830er-Jahre zum Schulbau in Mannersdorf. Erhalten ist der Schriftwechsel zwischen allen beteiligten Stellen. Das verwundert nicht, denn bei öffentlichen Bauprojekten wurde im Biedermeier (1814/15-1848) bereits ein reglementiertes Behördenverfahren geführt, auch in Mannersdorf war die Baubürokratie kräftig zu Gange.
Die Erweiterung des damals bestehenden Schulgebäudes schien zu Beginn des 19. Jahrhunderts notwendig geworden zu sein. Gab es 1814 noch 186 Schüler, so stieg ihre Anzahl bis zum Jahr 1834 auf 292. Das alte Mannersdorfer Schulzimmer war schon 1786 als zu klein beschrieben worden. Die Verhandlungen über Baumaßnahmen im Biedermeier zogen sich jedenfalls über Jahre hin, es ging halt ums liebe Geld.
Am 2. Oktober 1835 wurde das erste Bauprojekt für die Mannersdorfer Schule genehmigt, das bestehende Gebäude sollte nach einem Plan des Kreisingenieurs (Baubeamter und Architekt der Behörde) aufgestockt werden. Im Februar 1837 wurde dann eine Versteigerung des Bauauftrages vorgenommen, bei der der Mannersdorfer Maurermeister Joseph Sollak das Rennen machte. Dieser war der Sohn des Mathias Sollak und wurde am 3. Februar 1793 in Mannersdorf getauft, am 11. Jänner 1818 heiratete er Anna Maria Reichart. Sollak war zum Zeitpunkt des Schulbaues schon über 40 Jahre alt und dürfte eine entsprechende Erfahrung mitgebracht haben. Bald nach Beginn des Schulbauprojekts zeigten sich statische Probleme, sodass die Aufstockung des Baubestandes wieder verworfen wurde. Nun begann eine Phase mit verschiedenen Alternativentwürfen, auch der Ankauf des Viertellehnerhauses Nr. 7, das Ignaz Klettner gehörte, wurde verhandelt. Dazu erwarb die Gemeinde das Haus Nr. 20, um dieses gegen das Haus des Ignaz Klettner eintauschen zu können. Über diesen Vorgang kam es auch zu einem Disput, Marktrichter Lichtenecker wurde eine persönliche Vorteilnahme vorgeworfen.
Am 29. April 1837 legte jedenfalls Joseph Sollak einen eigenen Bauplan mit Kostenvoranschlag vor. Der Entwurf sah ein zweigeschossiges Gebäude über rechteckigem Grundriss vor. Die Fassade sollte im damaligen Stil des Klassizismus gestaltet werden. Im Inneren nahm das Erdgeschoss ein Klassenzimmer und die Lehrerwohnung auf, während darüber zwei weitere Klassen vorgesehen waren. Nicht datiert ist ein weiterer Plan von Sollak, der alternativ nur einen hofseitigen Zubau am Baubestand vorsah. Der sparsamere Zweitentwurf wurde aber nicht weiterverfolgt.
Am 7. März 1838 legte auch Baumeister Anton Eggenberger ein Projekt vor, dessen Kosten mit 6449 Gulden bemessen waren. Eggenberger folgte dem Erstkonzept von Sollak, entwarf aber eine noch eleganter gegliederte Fassade. Eggenberger war Bau- und Maurermeister aus Fischamend, nach seinen Plänen wurde 1817 das dortige Kammeramt und Feuerwehrdepot errichtet. Wenig erfreulich war sein Ende, am 28. Juli 1842 wurde der 64-Jährige in Fischamend mit einem Kopfschuss tot aufgefunden – über nähere Umstände weiß das Sterbebuch nichts zu berichten.
Zurück nach Mannersdorf: Noch im März 1838 brachte Joseph Sollak einen vierten Entwurf ins Spiel, der Baubestand sollte nun seitlich erweitert werden. Mit Sollak schien es aber zu finanziellen Differenzen gekommen sein, da er im September 1838 darüber klagte, dass er den Bau nicht um 2571 Gulden übernehmen könne. Sollaks eigene Pläne scheinen ohnehin nicht mehr verfolgt worden zu sein, da Kreisingenieur Joseph von Duras schon im August einen eigenen Kostenvoranschlag über 3274 Gulden vorgelegt hatte. Nach Sollaks Absage zur Weiterarbeit folgte im Oktober 1838 ein zweiter Voranschlag, der auch durch von Duras ausgearbeitet worden war. Da der Bau bereits 1839 umgesetzt wurde, dürfte das Bauprojekt von Kreisingenieur Joseph von Duras zur Ausführung gelangt sein und dieser der Architekt unseres Schulbaues sein. Er war seit 1836 zuständiger Kreisingenieur im Viertel unter dem Wienerwald und war bei einigen Kirchenbauprojekten des Biedermeier involviert. Später wurde Joseph von Duras sogar Leiter der Niederösterreichischen Baudirektion.
Die Grundsteinlegung zum Mannersdorfer Schulbau wurde am 19. März 1839 vorgenommen, der Marktrichter und Steinmetzmeister Joseph Lichtenecker fungierte nun als Bauführer. Bereits am 8. September 1839 konnte die feierliche Eröffnung des Gebäudes vorgenommen werden. Der Vergleich des ausgeführten Schulbaus mit den verschiedenen Vorprojekten zeigt, dass dieses in der Konzeption den zweigeschossigen Entwürfen von Sollak und Eggenberger folgte. Die Fassade selbst ist wesentlich schlichter umgesetzt, die Fenstergruppe mit der Christusskulptur im Obergeschoss und der Dreiecksgiebel darüber betonen die Hauptfassade. Die Inschriftentafel bei der Skulptur lautet: „Lasset die Kleinen zu mir kommen, und wehret es ihnen nicht. Math. 19. C., 14. V. Der Weisheit Anfang ist die Frucht des Herrn. Sprich. Sal. 9. C., 10. V. Erbauet im Jahre 1839.“ Im Inneren wurden die Räume 1839 so eingeteilt: Im Erdgeschoss lagen ein Klassenzimmer und die Wohnung des Lehrers, während im Obergeschoss zwei Klassenzimmer und die Wohnung des Schulgehilfen angeordnet waren. Bereits 1851 musste der Bau von Josef Utz adaptiert werden, unklar ist vorerst, ob Utz mit jenem Baumeister gleichen Namens ident ist, der wenige Jahre später die Stadterweiterung von Krems entscheidend prägen sollte. Im Laufe des 19. Jahrhunderts kamen dann noch weitere vier Umbauten beim Mannersdorfer Schulhaus hinzu, da die Schülerzahlen unaufhörlich stiegen.
Unsere Alte Volksschule stellt heute einen der ältesten Schulbauten in unserer Region und einen der wenigen erhaltenen Schulbauten des Klassizismus bzw. Biedermeier in Österreich dar!
Fotos: Archiv Michael Schiebinger, Digitales Archiv Stadtmuseum, Archiv Ing. Johann Kroupa