Online-Gschichtl Nr. 146

Die Mannersdorfer Marktrichter - Teil 2

Im zweiten Teil des Gschichtls zu den Mannersdorfer Marktrichtern beschäftigt sich Michael Schiebinger diesmal mit den Amtsträgern des 18. und 19. Jahrhunderts.

 

Im 18. Jahrhundert sind Lücken in der Reihe der namentlich bekannten Marktrichter festzustellen. Die Richter wiesen nun teilweise längere Amtszeiten auf, als dies bisher der Fall war. 1704 amtierte Jakob Hölzl, der noch im selben Jahr von Bernhardt Pränt (auch Pränz) abgelöst worden war. Pränt amtierte nun ganze 14 Jahre lang bis zum Jahr 1718, in seinem ersten Amtsjahr fiel der Einfall der aufständischen, ungarischen Kuruzzen, bei dem in Mannersdorf schwere Schäden entstanden waren. Marktrichter Bernhardt Pränt hatte mit den beiden Ratsbürgern Michael Pännitsch und Matthias Rosenberger ein entsprechendes Schadensprotokoll aufzunehmen.

Für das Jahr 1721 scheint dann Thomas Mennis als Marktrichter auf, ehe Bernhardt Pränt 1729 offenbar nochmals amtierte. In den Jahren 1730 bis 1733 fungierte Peter Putz als Mannersdorfer Marktrichter. 1739 folgte Johann Georg Mayr und von 1744 bis 1746 Johann Ertl. Dann tritt wieder eine große Lücke in der Reihe der bekannten Marktrichter auf, erst 1787 ist mit Mathias Weninger wieder ein Amtsträger fassbar, 1788 scheint hingegen ein Franz Weninger als Marktrichter auf.

Im 19. Jahrhundert sind zumindest einige Namen der Marktrichter bekannt, so amtierte 1804 Johann Pillis. 1809 und 1810 scheint Peter Putz als Amtsinhaber auf, er war Bäckermeister und verstarb am 27. Oktober 1814 mit 43 Jahren – er dürfte der Enkelsohn des gleichnamigen Marktrichters des 18. Jahrhunderts gewesen sein. 1821 amtierte wiederum Johann Karanitsch als Marktrichter. In den 1830er-Jahren wird erwähnt, dass der Marktrichter bei seinen Amtshandlungen mit einem „Spanischen Rohr“ erscheinen würde, das er jedoch selbst anzuschaffen hatte. Mit dem Rohr war ein Stock gemeint, mit dem der Marktrichter seine Befehlsgewalt symbolisierte. In vielen Städten und Märkten war es üblich, dass Stadt- oder Marktrichterstäbe bestanden. Es waren aus Holz oder Metall kunstvoll gestaltete Stäbe, die die Form eines Szepters aufwiesen. Sie waren Repräsentationsobjekte und haben sich teilweise erhalten. Es ist durchaus plausibel, dass in Mannersdorf zumindest im prunkfreudigen Barock des 18. Jahrhunderts auch ein Marktrichterstab verwendet wurde. Die Mannersdorfer Variante des Biedermeiers dürfte dann ein schlichterer, gedrechselter Holzstab gewesen sein. Neben dem Richterstab bestanden in vielen Städten und Märkten auch noch Richtschwerter, die als zeremonielle Insignien die gerichtliche Gewalt symbolisieren sollten – es wäre möglich, dass ein solches Zeremonialschwert auch in Mannersdorf bestand.

1835 wurde Franz Weninger als Marktrichter von Mannersdorf genannt, er hatte 1805 Anna Schäfer geehelicht und verstarb am 4. Oktober 1844 im Alter von 67 Jahren. Als Weninger zum Marktrichter gewählt wurde, stand er also schon in fortgerücktem Alter. In den Jahren 1838 bis 1840 war Joseph Lichtenecker Marktrichter von Mannersdorf. Dieser wurde am 6. Jänner 1779 in Mannersdorf getauft und war der Sohn des Webergesellen Thomas Lichtenecker und dessen Gattin Magdalena. Mit 36 Jahren hatte Joseph Lichtenecker 1815 in Mannersdorf Anna M. Zettler geehelicht. Von Beruf war er Steinmetzmeister und schien auch als Kalkbrenner auf. Als er Marktrichter wurde, war er bereits im damals hohen Alter von 60 Jahren. Das Amt des Marktrichters wurde in Mannersdorf offenbar stets den erfahrenen Ältesten überantwortet. Lichtenecker war einer der führenden Akteure beim biedermeierlichen Schulhausneubau von Mannersdorf. Für das Bauprojekt erwarb die Gemeinde das Haus Nr. 20, um dieses gegen das Haus des Ignaz Klettner eintauschen zu können. Über diesen Vorgang kam es aber zu einem Disput, Marktrichter Lichtenecker wurde sogar eine persönliche Vorteilnahme vorgeworfen und die Geschworenen (Beisitzer) verweigerten ihre Unterschrift. Die Projektierung zog sich einige Zeit hin, doch am 19. März 1839 konnte die Grundsteinlegung zum Mannersdorfer Schulbau wurde vorgenommen. Marktrichter und Steinmetzmeister Joseph Lichtenecker fungierte nun sogar als Bauführer. Die Ausführung ging so rasch voran, dass noch am 8. September 1839 die feierliche Eröffnung des Gebäudes vorgenommen werden konnte. Ebenso hatte der Marktrichter großen Anteil an der damaligen Kirchenrenovierung, bei der auf seinen Willen hin die Kanzel an den heutigen Standort versetzt wurde. In Lichteneckers Amtszeit und wohl auch durch sein persönliches Engagement wurde die Sebastianskapelle an der Hoferstraße renoviert und am 16. August 1841 neu geweiht. Drei Jahre später, am 14. November 1844 verstarb Joseph Lichtenecker an Altersschwäche.

 

Der letzte Marktrichter von Mannersdorf wurde Josef Zwirschitz, der von 1840 bis 1850 ganze 10 Jahre das Amt innehatte. Im Jahr 1842 bestand die Mannersdorfer Verwaltung aus dem Marktrichter, einem Kämmerer für die Finanzen, sechs Geschworenen (Beisitzer), vier Waldförstern, zwei Zimentierern (Zuständige für das Eichwesen), zwei Wachmeistern, einem Vorspann- und Einquartierungsmann, zwei Bergleuten für die Einhebung des Weinzehent und einigen Weinberghütern. An der Marktrichterwahl nahmen damals 206 „Nachbarn“ teil, also nur Hausbesitzer, die nach erledigter Pflicht im Gemeindegasthaus verköstigt wurden. In Marktrichter Zwirschitz‘ Amtszeit fielen die Ereignisse der Revolutionsjahre 1848 und 1849, die eine politische Wende im Kaisertum Österreich einleiteten. Mit dem Reichstag erhielt Österreich 1848 erstmals ein gewähltes Parlament. Dazu wurden in allen Orten Wahlmänner gewählt, die ihrerseits die Abgeordneten für den Reichstag küren sollten. In der Herrschaft Mannersdorf-Scharfeneck erschienen 724 der 912 „Urwähler“, die neben dem Mannersdorfer Marktrichter Josef Zwirschitz noch drei weitere Wahlmänner bestimmten. Der Reichstag, der nur kurz bestand, hob zumindest die Leibeigenschaft der Bauern auf. Auch die bisherigen Grundherrschaften wurden bald aufgelöst. 1850 wurden die selbstständigen Ortsgemeinden gebildet, die nun über einen Bürgermeister, einen Gemeindevorstand und einen Gemeindeausschuss (Gemeinderat) verfügten. Das Gerichtswesen wurde den Herrschaften ebenso entzogen, sodass die Gemeinden nun keine richterlichen Befugnisse mehr hatten. An Stelle der alten Verwaltung traten nun die Bezirksgerichte und die Bezirksämter, die eine Zeit lang noch gemeinsam wirkten – erst 1868 entstanden die Bezirkshauptmannschaften. Die Bezirksgerichte agierten nun im Sinne der Gewaltenteilung unabhängig von der Verwaltung. Und in Mannersdorf? Da blieb vieles beim Alten, denn Josef Zwirschitz, der letzte Marktrichter, wurde 1850 auch zum ersten Bürgermeister der neugebildeten Marktgemeinde Mannersdorf gewählt. 


Foto 1: Das unter Marktrichter Joseph Lichtenecker errichtete biedermeierliche Schulgebäude von Mannersdorf (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Die von Marktrichter Joseph Lichtenecker renovierte Sebastianskapelle - Rekonstruktionszeichnung von Oberst A. Schatek (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 3: Porträt von Josef Zwirschitz, letzter Marktrichter und erster Bürgermeister von Mannersdorf (Michael Schiebinger)