Online-Gschichtl Nr. 162

Die Mannersdorfer Mediziner - Von der Renaissance bis zum Ersten Weltkrieg

Heute widmet sich Michael Schiebinger den Medizinern, die bis zum Ersten Weltkrieg in Mannersdorf tätig waren oder mit dem Ort in Verbindung standen.

 

Der erste namentlich fassbare und mit Mannersdorf in Beziehung stehende Mediziner war Johann Enzianer, ein „Doktor der Arznei“. Dieser bat im Jahr 1517 Kaiser Maximilian in Mannersdorf ein Bad „aufrichten und erpauen“ zu dürfen. Der Gründer des Mannersdorfer „Wildbades“ stammte aus Überlingen am Bodensee, wo er um 1470/80 zur Welt kam. Um 1500 gelangte Enzianer nach Wien, wo er an der Universität wirkte und sich rasch einen Namen als Mediziner machte. 1515 wurde Enzianer zum kaiserlichen Rat ernannt und durfte fortan ein Familienwappen führen. 1517 brachte er die Mannersdorfer Quelle samt den beiden dazugehörigen Häusern an sich und begann mit Unterstützung seines kaiserlichen Gönners hier ein Heilbad aufzubauen. Durch seine finanzkräftige Gattin konnte Enzianer zudem einige Besitzungen in der Stadt Wien erwerben. Im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts nahm der Mediziner mehrfach das Amt des Dekans der medizinischen Fakultät an der Universität Wien ein. 1532 wurde er dann in den Adelsstand erhoben und durfte sich nach seinem Ansitz „von und zu Biedermannsdorf“ nennen. Johann Enzianer verstarb im Jahr 1552.

Nach Enzianers Tod kam das Bad an dessen Erben und bald an andere Privatleute. Verwaltet wurde der Betrieb fortan von einem Badmeister oder „Bader“. Diese waren auch für das Aderlassen und für die Wundversorgung zuständig. Zu den „Heilkundigen“ zählten auch die „Wundärzte“, die über Jahrhunderte hinweg die einfache, medizinische Versorgung auf dem Land sicherstellten. Mit der Gründung des Mannersdorfer Bades war somit durch den Wundarzt bzw. Bader auch eine gewisse medizinische Grundversorgung im Markt gegeben. Freilich kann die damalige Tätigkeit nicht mit jener eines akademisch ausgebildeten Arztes verglichen werden.

1565 trat mit Georg Eyberl der erste namentlich bekannte Mannersdorf Bader sein Amt in an. 1578 kam das Mannersdorfer Bad an Joseph Enzianer, den Enkel des Gründers. Da dieser kinderlos verstarb, fiel der Badebetrieb an den bisherigen Bader Georg Eyberl, der nun selbst einen Bademeister, nämlich Benedikt Beheim, anstellte. Beheim sah sich mehr als Verwalter und vermied es, als Bader bezeichnet zu werden, da die Bader gesellschaftlich wenig Ansehen genossen. Die Gäste nannten Beheim aber dennoch „so schimpflich einen Pader [], als ob er Pader zu Mannersdorff wäre; er ist doch Padmeister“, wie eine zeitgenössische Quelle berichtet.

Im Jahr 1659 kam der Wundarzt Matthias Geyer nach Mannersdorf, wo er 26 Jahre lang als Badmeister wirken sollte. 1683, als die Osmanen auch die Herrschaft Scharfeneck heimsuchten, soll sich Geyer besonders hervorgetan und „etwelche Tataren erlegt“ haben. Als er 1685 verstarb hinterließ der Wundarzt seine Frau und fünf Kinder, denen in ihrer „hochbeklagten Not“ von der Herrschaft vier Metzen Korn überlassen wurden. 1689 ist bereits der Bruch- und Wundarzt Zacharias Kapfbether im Mannersdorfer Bad tätig. Auch der „Chirurgus“ Florian Andres ging damals in Mannersdorf seinem Beruf nach.

Im 18. Jahrhundert wurde ein weiterer Mediziner für die Geschicke des Mannersdorfer Bades bedeutend. Dr. Philipp Florian Prosky kam als Kurgast hierher und beschäftigte sich eingehend mit den Wirkungen des Heilbades. 1734 veröffentlichte Prosky ein Büchlein mit dem Titel „Gründliche Beschreibung des Wild-Bads zu Männersdorff“, ein willkommenes Werbemittel für den damals prosperierenden Kurort. Prosky selbst war 1704 geboren worden, 1732 promovierte er an der Universität Wien zum Doktor der Medizin und 1764/65 war er Dekan der Fakultät, wie Hans Schwengersbauer 2012 in seinem Beitrag festhielt. 1756 erschien eine Neuauflage von Proskys Schrift über das Mannersdorfer Bad. Nach Proskys Tod 1767 kam es posthum zu einer weiteren Auflage seines populären Werkes.

Als Bademeister fungierten in dieser Glanzzeit des Bades Johann Anton Müllner und Joseph Steininger. Als letzterer 1763 verstarb kam der „Chyrurgus“ Caspar Waid mit seiner Familie nach Mannersdorf und übernahm die Leitung des Kurbetriebes. Gut 15 Jahre konnte Weid nun im Markt wirken, ehe er im Mai 1778 mit 67 Jahren verstarb. Nach dem Tod des Bademeisters Weid wurde der Wundarzt Johann Liegel als sein Nachfolger im Mannersdorfer Bad angestellt. Zur Unterstützung von Liegel wurde 1782 Anton Seydl, „Medicus Doctor und Physicus“, als zweiter Arzt in das Bad berufen. Er bekam von der Herrschaft eine Wohnung im Schloss zugewiesen und erhielt einen Jahreslohn von 200 Gulden. Zudem wurde ihm ein Anteil Weizen, Korn und Brennholz zur Verfügung gestellt. Seydls akademische Ausbildung spiegelt dabei die Professionalisierung wider, die unter Maria Theresia betrieben wurde. Unter ihr wurden Lehranstalten für Wundärzte gegründet, an denen auch ein dringend notwendiger Anatomieunterricht stattfand. Seit 1751 bestanden Prüfungen für Wundärzte und seit 1748 erhielten Bader eine Ausbildung an der Wiener Universität.

Ende des 18. Jahrhunderts befasste sich abermals ein Wiener Mediziner mit der Wirkung der Mannersdorfer Quelle. Dr. Johann Michael Schosulan verfasste das Büchlein „Abhandlung von den heilsamsten Kräften, und Wirkung, dann Gebrauch des Mannersdorfer Bades“, das 1783 publiziert wurde und als neuestes Werbemittel gedacht war. Schosulan stammte aus Waidhofen an der Thaya, wo er 1743 geboren worden war, wie Hans Schwengersbauer recherchierte. Schosulan studierte in den 1760er-Jahren Medizin an der Universität Wien, wo er auch promovierte. In den 1770er-Jahren war er an der medizinischen Fakultät tätig und wurde auch Mitglied im Hauptgremium der niederösterreichischen Wundärzte. Als Dr. Schosulan seine Schrift zum Mannersdorfer Bad veröffentlichte, war er bereits Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Wien und ein angesehener Mediziner – er verstarb 1795 mit 52 Jahren.

1786 wurde das Mannersdorfer Bad unter Joseph II. geschlossen und der Kurbetrieb in bescheidener Form noch einige Jahre im Gasthaus zum Schwarzen Adler vorgeführt. Damit endete auch das Dasein der immer wieder medizinisch tätigen Bademeister. Dr. Anton Seydl blieb aber als Wund- und Geburtsarzt in Mannersdorf und war hier noch im Biedermeier tätig. Er wurde von Zeitgenossen als „menschenfreundlich und hilfsbereit“ beschrieben. Gelegentlich wurde der Mediziner auch zu Behandlungen nach Götzendorf und Pischelsdorf gerufen. Dr. Seydl verstarb im Alter von 71 Jahren im Februar 1827 und wurde in Mannersdorf beigesetzt.

Wundarzt Ignaz Mischke wurde 1782 in Walpersdorf bei Inzersdorf an der Traisen geboren und erhielt an der Universität Wien 1817 sein Diplom. 1831 kam seine Tochter Antonie bereits in Mannersdorf zur Welt, sodass die Familie Mischke um 1830 hierhergezogen sein dürfte und Vater Ignaz wohl die Nachfolge des 1827 verstorbenen Dr. Seydl antrat. Mischke wurde in den Kirchenbüchern als „Chirurgius“ und „Wundarzt“ tituliert, 1840 wurde er zudem als „Impfarzt“ bezeichnet. Ignaz Mischke verstarb 1852 und wurde in Mannersdorf beigesetzt.

Im selben Jahr wurde Mischkes Schwiegersohn Dr. Josef Wache in Mannersdorf als praktischer Arzt und Chirurg tätig. Er war 1826 in Wildschütz/Schlesien (Wilczyce) geboren worden. Wache studierte zunächst in Wien und anschließend in Olmütz/Olmouc Medizin, wie Hans Schwengersbauer recherchierte. Von der Universität Wien bekam er letztlich im Mai 1850 das Diplom als Wundarzt und kam nach Mannersdorf, wo er 1851 Antonie, die Tochter von Ignaz Mischke, heiratete. 1852 übernahm Dr. Wache die Arztpraxis seines verstorbenen Schwiegervaters. Er engagierte sich zudem in Vereinen, als Hobbyarchäologe und im Orts- wie Bezirksschulrat. Dr. Wache war auch ein wichtiger Mitinitiator der Kaiser-Franz-Josephs-Warte bei der Kaisereiche. Für seine Verdienste wurde ihm neben dem Goldenen Verdienstkreuz auch die Ehrenbürgerwürde von Hof verliehen. 1886 hatte ihm die Marktgemeinde Mannersdorf zum 60. Geburtstag auch mit der hiesigen Ehrenbürgerwürde gedankt. Dr. Wache wurde auch in die Nachbarorte zur Hilfeleistung gerufen, so kümmerte er sich etwa um die 77-jährige Witwe Katharina Richter, die 1891 in Sommerein Opfer eines versuchten Raubmordes wurde. Der Mediziner bezeichnete sich 1888 als „k. k. Guts- und Werksarzt“. Da das Zementwerk damals noch nicht bestand, sehr wohl aber die Wasenbrucker Filztuchfabrik, könnte Dr. Wache dort als erster Werksarzt praktiziert haben. Dr. Josef Wache verstarb 1895 in Mannersdorf und wurde am Ortsfriedhof beigesetzt, sein Grabmal findet sich noch heute an der rechten Seite des Kirchturmes.

 

Vor der Jahrhundertwende kam Dr. Karl Rosenthal als Nachfolger von Dr. Wache nach Mannersdorf. Er war 1868 in Petronell als Sohn des Wund- und Geburtsarztes Anton Rosenthal geboren worden. Später studierte er in Wien und promovierte im Juni 1893 zum Doktor der Medizin. Neben den üblichen Krankheitsbildern musste sich der Mediziner in Mannersdorf und Umgebung auch mit Unfallpatienten beschäftigen. 1904 kam es bspw. in Sommerein zu einem Unfall beim Pferdebeschlagen, die „Wirtschaftsbesitzerstochter“ Johanna Schmid wurde dabei schwer im Gesicht verletzt. Dr. Rosenthal kam zur Hilfe und musste 18 Nähte setzen, wie der Bezirksbote berichtete. Der Mediziner engagierte sich, wie sein Vorgänger Dr. Wache, in der „Sektion Leithagebirge“ des Österreichischen Touristenklubs, wo er auch den Vorsitz innehatte. Dr. Rosenthal wirkte noch einige Jahre in Mannersdorf. 1916 gab er mit seiner Gattin Karoline die Versteigerung seines Hauses im Markt in Auftrag. Er verließ damals Mannersdorf und wurde noch im selben Jahr als Obermedizinalrat und „Stadtphysikus“ in Wiener Neustadt tätig. 1929 trat er dort in den Ruhestand und wurde mit dem Hofratstitel geehrt. Ab den 1930er-Jahren war Dr. Rosenthal in Baden ansässig, wo 1948 sein 80. Geburtstag in offiziellem Rahmen begangen wurde – er verstarb 1953. 

Foto 1: Porträt von Dr. Johann Enzianer (Albert Schatek, Wildbad Mannersdorf)

Foto 2: "Der Wundarzt" im Barock (Abraham à Santa Clara, Etwas für Alle Stands- Ambts- Bewerbs-Persohnen, 1699)

Foto 3: Titelblatt von Dr. Philipp Florian Proskys Schrift zum Mannersdorfer Bad (Gründliche Beschreibung des Wild-Bads zu Männersdorff, 1734)

Foto 4: Titelblatt von Dr. Johann Michael Schosulans Schrift (Abhandlung von den heilsamsten Kräften und Wirkung dann Gebrauch des Mannersdorfer Bades, 1783)

Foto 5: Porträt von Dr. Josef Wache (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)