Online-Gschichtl Nr. 60

Wasenbruck - Von der Fabriksgründung bis zum Ersten Weltkrieg

Im zweiten Teil zur Ortsgeschichte von Wasenbruck soll die Entwicklung von der Fabriksgründung bis zum Ersten Weltkrieg beleuchtet werden.

 

Neben der alten Wasenmühle entstand im Jahr 1882 die „Erste Belgisch-Österreichische Mechanische Filztuchfabrik für Papierfabrikation“. Zur Errichtung des Betriebsgeländes wurden Teile der gemeindeeigenen Hutweide angekauft und weitere Wiesen vom Betreiber der Wasenmühle gepachtet. Auch wurde der Fabrik gestattet einen Teil des sog. Türkenbergls abzutragen, diese Arbeiten wurden aber 1883 wieder eingestellt. Im Jahr 1884 übernahm die Firma Hutter und Schrantz den Betrieb, der Filztücher für die Papierproduktion herstellte. Mit dem steigenden Papierverbrach stieg auch die Produktionsmenge in Wasenbruck, sodass der Betrieb beständig ausgebaut wurde. 1890 kam ein Kessel- und Maschinenhaus und 1895 ein Schornstein mit 35 Metern Höhe dazu. Weitere Hallen und Magazine folgten und für die Beleuchtung mit Gaslampen wurde eine einige Anlage hinzugefügt. Die Fabriksanlage erstreckte sich dabei dies und jenseits des Mühlwassers, lag also teils auch auf dem Gemeindegebiet von Reisenberg. Die Gemeinde- und Bezirksgrenze markiert noch heute ein steinerner Grenzpfahl des Jahres 1888 an der Werkskanalbrücke.

Mit der Gründung der Filztuchfabrik 1882 wurde auch der Grundstein für die Entstehung der heutigen Ortschaft gelegt. Der stete Ausbau des Betriebes zog unzählige Arbeiterinnen und Arbeiter an, die zunächst noch in langen Fußmärschen nach Wasenbruck pendelten. In der Fabrik angekommen waren sie dann bereits vor Arbeitsbeginn vollkommen erschöpft. So trachte die Werksleitung danach, ihre Arbeitskräfte samt deren Familien nahe am Werk unterzubringen. In der Folge entstanden bis 1912 fünf mehrgeschossige Arbeiterwohnhäuser längs der Durchfahrtstraße und der heutigen Windgasse. Das erste Haus entstand dabei 1882, das zweite 1892 und ein weiteres 1897. Die bescheidenen Wohnungen verfügten über das berühmte Dreigestirn „Zimmer – Küche – Kabinett“, brachten aber vergleichsweise mehr „Komfort“ mit sich, als viele Bauernhäuser in Mannersdorf. Die Arbeiterwohnhäuser sind heute nach erhalten, während die ersten Bauten sehr schlicht gehalten waren, zeigt das Haus Hauptstraße 22 noch interessante Detailformen (Reliefs, Dacherker) des „Art déco“ der Zeit um 1910/20.

Durch den raschen Zuzug der Arbeiterfamilien zählte Wasenbruck im Jahr 1900 bereits 230 Einwohner. Der Alltag im Ort war geprägt von der Arbeit in der Fabrik, vor Arbeitsbeginn, bei Arbeitsbeginn und bei Arbeitsschluss heulte die Sirene und gab den Takt vor. In der kargen Freizeit ging man ins Kino, ins Theater oder auf den Sportplatz, ein Gasthaus gab es und auch einen Friseur – für alles weitere musste man nach Mannersdorf hinüber.

Die zahlreichen Arbeiterfamilien von Wasenbruck hatten wohl keine enge Bindung zur katholischen Kirche. Die Pfarre Pischelsdorf, bäuerlich geprägt, dürfte auch ihrerseits wenig seelsorgliches Engagement in ihrem „Randgebiet“ aufgebracht haben. Wesentlich wichtiger war für die Wasenbrucker Bewohner aber die schulische Ausbildung ihrer zahlreichen Kinder. Auch schulisch war die neu entstehende Ortschaft nach Pischelsdorf gehörig. Da die dortige Schule aber nur beschwerlich über die Leithaauen erreichbar war, gingen immer mehr Arbeiterkinder in Reisenberg oder Mannersdorf zur Schule. Um die Jahrhundertwende bemühte sich nun die Fabriksleitung erfolgreich um die Einrichtung einer eigenen Schule in Wasenbruck, diese konnte ab 1904 mit 60 Kindern den Unterricht aufnehmen. Die Schule wurde dabei als Anbau an das vierte Arbeiterwohnhaus errichtet. Die Schülerzahl stieg rasch an und so musste ab 1919/20 bereits zweiklassig unterrichtet werden. Aus Platzmangel wurde nun der alte Theatersaal in die Schulräume miteinbezogen.

Im Jahr 1905 machte sich die Leitha abermals bemerkbar, die mit ihren Fluten Wasenbruck in besonderem Maße heimsuchte. Einen Rückschlag bedeutete aber auch der Großbrand im selben Jahr, der trotz Einschreiten mehrerer Feuerwehren, nicht verhindert werden konnte. Teile der Fabriksgebäude brannten ab und das betriebseigene Gaswerk explodierte – 30 Arbeiter wurden zudem verletzt.

Zwar bemühte sich die Werksleitung von Hutter und Schrantz um die Schaffung von Sozialeinrichtungen, dennoch war das Verhältnis zur Arbeiterschaft angespannt. Die Verantwortlichen nutzen nämlich die Lage der Arbeiterinnen und Arbeiter erheblich aus, so wurde im Akkord geschuftet, vielfach in 36-Stunden-Schichten, die Überstunden wurden nur spärlich bezahlt und Frauen und Mädchen wurden zu illegaler Nachtarbeit angehalten. Im Jänner 1906 führten die Zustände zur Eskalation, denn die Beschäftigten hatten sich vielfach den Sozialdemokraten angeschlossen und deren Funktionäre im Betrieb waren nun entlassen worden. Es kam zum Streik, Gendarmen wurden nach Wasenbruck geschickt. Die Streikenden gaben aber nicht nach, wurden entlassen und sollten überdies ihre Werkswohnungen räumen. Nach zwei Wochen brach der Streik zusammen, 30 Arbeiterfamilien mussten Wasenbruck verlassen, die anderen baten um Wiedereinstellung – nur das Streikziel der Überstundenbezahlung konnte erreicht werden.

Im Jahr 1911 wurde die bisherige Betreiberfirma der Fabrik mit ihren Standorten in Wien und Wasenbruck in eine Aktiengesellschaft umgewandelt – sie führte fortan die Bezeichnung „Hutter und Schrantz AG Siebwaren- und Filztuchfabriken“. Damals lebten in Wasenbruck 469 Personen, also doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor! Aber nur 40 von ihnen waren nach Mannersdorf „zuständig“, wie man damals sagte. Die übrigen Bewohner des Ortes stammten aus verschiedenen Teilen der Monarchie. Nationalitätenkonflikte taten sich dennoch kaum auf, da Störenfriede entlassen wurden und damit auch ihre Werkswohnung verloren. Aufgrund der vielen aus Böhmen stammenden Arbeiter wurden die Wasenbrucker alsbald als „Woi Behm“ („Wollböhmen“) gehänselt.

 

Als im Jahr 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, mussten auch Wasenbrucker zum Kriegsdienst einrücken. Während der kommenden Jahre wurden bei Hutter und Schrantz auch sechs russische Kriegsgefangene zur Zwangsarbeit herangezogen. Es ist davon auszugehen, dass sie von Kaisersteinbruch aus zugewiesen worden waren, wo ein riesiges Kriegsgefangenenlager unterhalten wurde. Von Reisenberg kommend, ein Stück vor der Werkskanalbrücke, gibt es eine weitere Brücke über das „Italiener-Bacherl“. Dieser Wasserlauf kommt von Seibersdorf, mündet hinter der Mühle in die Leitha und soll 1915 von Italienischen Kriegsgefangenen gegraben worden sein. Das Bächlein könnte für die Entwässerung der Felder und Wiesen nächst der Leitha gedient haben. Auch die Wasenbrucker Bevölkerung selbst hatte unter den Kriegsfolgen zu leiden, denn auch hier waren viele Güter Mangelware und Lebensmittel rationiert. Die hiesigen Schüler beteiligten sich indes an den Spendenaktionen und strickten Winterkleidung für die Soldaten in der Ferne. Der Kohlemangel führte letztlich sogar zur zeitweisen Schließung der Wasenbrucker Schule.


Foto 1: Kundmachung der „Ersten Belgisch-Österreichischen Mechanischen Filztuchfabrik für Papierfabrikation“

(Wiener Zeitung vom 15. Juni 1883)

Foto 2: Grenzpfahl von 1888 an der Bezirks- und Gemeindegrenze (Michael Schiebinger, 2020)

Foto 3: Leithabrücke, Ansichtskarte von 1907 (ÖNB AKON, AKON_AK008_083)

Foto 4: Fabrikszufahrt und Hauptstraße, Ansichtskarte von 1907 (ÖNB AKON, AKON_AK008_084)

Foto 5: Filztuchfabrik, Ansichtskarte von 1907 (ÖNB AKON, AKON_AK008_085)

Foto 6: Gründung der Fabriksfeuerwehr Wasenbruck (Bezirksbote vom 18. August 1907)

Foto 7: Ehem. Arbeiterwohnhaus mit Art-Decó-Elementen an der Fassade, Hauptstraße 22 (Michael Schiebinger, 2020)