Im Süden der Stadt, am Waldrand und etwas erhöht, liegt der Ortsteil Tattendorf bzw. die Tattendorfgasse. Michael Schiebinger widmet diesem alten und besonderen „Vorort“ von Mannersdorf ein zweiteiliges Online-Gschichtl. Er dankt Christl und Johann Amelin sowie Johann Kroupa für Hinweise und historische Fotos.
Das Tattendorf ist ein langer Straßenzug, der sich von der Kuppe der Platte im Westen zunächst bergab zum Brunnbergl erstreckt, wo sich der Weg gabelt. Nach Norden sind bald die Jägerzeile und der Stadtpark erreicht, während sich die Tattendorfgasse am Brunnbergl weiter nach Osten wendet, um wieder anzusteigen und bei der Förderbandbrücke zur Hochleiten überzugehen. Historisch teilt das Brunnbergl somit das „linke“ und das „rechte“ Tattendorf. Das größere westliche Tattendorf nimmt gut 450 Meter an Länge ein, während das östliche Tattendorf etwa 100 Meter kürzer ist. Auch siedlungsgeschichtlich unterscheiden sich beide Teile, das westliche Tattendorf ist wesentlich älter als das östliche. Aber der Reihe nach, gehen wir zunächst einmal zurück in die Frühphase des Tattendorfs.
Die offenbar erste Erwähnung des Tattendorfs reicht zurück in die Frühe Neuzeit, da werden im Grundbuch „Neustifftler so 1595 angefangen zu dienen“ genannt. Diese umfassten 24 Hofstätten und zwei Kleinhäusler. Die Siedler sind von der heutigen Neustift bzw. Neustiftgasse deutlich zu unterscheiden. Der Begriff „Neustiffler“ meint hier Siedler, die von der Herrschaft mit Grund ausgestattet, angesiedelt und „neu bestiftet“ worden sind. Dieses Untertanenverhältnis muss, wie die Wendung „so 1595 angefangen zu dienen“ zeigt, 1595 begonnen haben – mit etwas Vorsicht ist dieses Jahr als Geburtsstunde des Tattendorfs zu bezeichnen. Im Jahr 1652 wurden abermals 24 Häuser erwähnt, die Siedlung ist wohl zunächst konstant in ihrem Umfang geblieben. Auch fast 100 Jahre später, im Jahr 1735 werden im Gerichtsbuch der Herrschaft „ausser des Marktes 24 Tättendorfer“ genannt. Unter den „Tättendorffer Neustätt zu Männerstorff“ befand sich 1730 auch das Haus Nr. 200 (heute Tattendorfgasse 60) des Ehepaares Hanns und Maria Schneider. Im Brunnen des Hauses existiert die Inschrift „HS 75 TR“, die sich auf Hanns Schneider beziehen dürfte und um Steinmetzzeichen ergänzt ist. Zum Haus gehörten 1730 ein Krautgarten draußen beim Schweingraben, ein Hanfgärtl und zwei Lüß Holz.
Auf der ersten genauen Kartendarstellung Mannersdorfs von 1751, die von Giovanni Jacopo de Marinoni erstellt wurde, sind etwa im Bereich des Tattendorfes bzw. südöstlich des geschlossenen Marktes einzelne Häuser zu erkennen. Einige davon sind längs eines in den Wald führenden Weges angeordnet. Es könnte sich hierbei um die erste planliche Darstellung des Tattendorfes handeln. Ende des 18. Jahrhunderts wird erstmals auch explizit vom „Tattendorf“ als ein Art Vorort außerhalb des Marktes gesprochen.
Mit der Herkunft des Namens „Tattendorf“ hat sich Heribert Schutzbier befasst und stützt sich dabei auf die Ausführungen von Hans Kopf. So war der Markt Mannersdorf bekanntlich an den drei Zufahrten durch Markttore gesichert. Zum weiteren Schutz dienten die Scheunen und die Gartenmauern der einzelnen Anwesen. Die kleine Siedlung Tattendorf lag aber außerhalb des geschützten Marktortes. Da die einfachen Häuschen schutzlos umherziehenden Wölfen und verschiedenem „Gesindel“ ausgesetzt waren, umgaben die Bewohner des Tattendorfes ihre Häuser behelfsmäßig mit einer dichten Dornenhecke. Von den Mannersdorfern wurde die Siedlung daher „Dornendorf“, im Dialekt „Dandorf“, genannt. Daraus entwickelte sich später der Name „Tattendorf“. Eine andere, etwas phantasievollere Überlieferung, so Heribert Schutzbier, leitet den Ortsnamen von den Bewohnern her. Die gänzlich ungeschützten Siedler fürchteten sich so sehr und zitterten um ihr Leben. Dieses Zittern wurde früher „Tattern“ genannt und soll so namensgebend geworden sein. Interessant ist dabei, dass im Bezirk Baden ja der gleichnamige Ort „Tattendorf“ besteht. Der dortige Ortsname wird vom Personennamen „Tato“ oder vom ungarischen Namen „Tétény“ hergeleitet. Der Ortsname von Tadten im Seewinkel führt ebenfalls auf den Personennamen „Tetun“ oder „Theten“ zurück. Für das Mannersdorfer Tattendorf ist wohl tatsächlich die Namensherleitung von der Dornenhecke plausibel.
Am Franziszeischen Kataster der Biedermeierzeit ist das Tattendorf als solches ausgewiesen, es umfasste damals bereits über 30 Häuser. Diese waren aus Stein und Ziegel fest errichtet und als längliche Giebelbauten ausgeführt. Rückwärtig bestanden Holzschupfen bzw. kleine Stallungen für das wenige Vieh, das man zur Eigenversorgung hielt. Im Gegensatz zu den gut situierten Bewohnern des Marktes waren die Behausungen und die Grundstücke im Tattendorf sehr bescheiden. Dennoch hatten die Tattendörfler sehr lange, bis zum Waldrand reichende Gartenparzellen mit Obstbäumen. Im Biedermeier war die südliche Häuserzeile schon dicht bebaut und reichte bereits damals vom Haus Nr. 78 im Osten über das Brunnbergl bis etwa zum Haus Nr. 20 im Westen. Die nördliche Häuserzeile, deren Parzellen an jene der Jägerzeile stoßen, bestand zwischen dem Haus Nr. 37 und dem Haus Nr. 31. Der Kataster zeigt zudem, dass am Schweingraben, direkt an der Grenze zu Sommerein, weiterhin die „Tattendorfer Krautgärten“ bestanden. Es waren gut 40 sehr kleine Parzellen, die hier den Tattendörflern zur Verfügung standen, um in der wasserreichen Flur ihre Gemüsegärten anzulegen. Der Boden im Tattendorf selbst war sehr steinreich und vergleichsweise karg. Auf Schweickhardts Perspektiv-Karte von 1837 sind die Giebelhäuser des Tattendorfs ebenfalls dargestellt, aber in schematisch-vereinfachter Weise.
Die Franzisko-Josephinische Landesaufnahme von 1872 weist das Tattendorf namentlich aus, die Häuseranzahl hat sich nur geringfügig geändert, die nördliche Häuserzeile reichte nun bereits weiter bergauf Richtung Platte. Hinter dem Tattendorf waren zwischenzeitlich die ersten kleinen Steinbrüche entstanden, wie auch die Karte zeigt. Diese Steinbrüche sollten von nun an das nähere Umfeld des Tattendorfes prägen.
Foto 1: Das Tattendorf im Biedermeier (Franz X. Schweickhardt, Perspektivkarte, 1837)
Foto 2: Das Tattendorf im Jahr 1872 (Franzisko-Josephinische Landesaufnahme)
Foto 3: Ansicht von Mannersdorf um 1910, im Vordergrund das Tattendorf (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf/Karl Trenker)
Foto 4: Das obere Ende des Tattendorfs zur Platte, um 1910 (Archiv Johann Kroupa)
Foto 5: Das Tattendorf um 1940 (Archiv Stadtmuseum Mannersdorf/Karl Trenker)