Im zweiten Teil zur Geschichte der Familie Karpf, widmet sich Michael Schiebinger diesmal der Zeit ab 1930.
Anfang der 1930er-Jahre sollte ein Ereignis den Fortgang des Tischlereibetriebes Karpf in entscheidender Weise beeinflussen. Am 8. September 1931 brach in der Werkstatt in der Tattendorfgasse ein Brand aus, der zu erheblichen Schäden führte. In der Folge wurde das Haus für Wohnzwecke wiederhergestellt, die Werkstatt jedoch in das Haus Jägerzeile 10 (zurück-)verlegt. Im Jahr 1933 übernahm Anton Karpf (sen.) den Familienbetrieb von seinem Vater Mathias, dieser trat aber nicht vollkommenen in den Ruhestand. Er dürfte sich innerhalb des Tischlergewerbes einen guten Ruf erarbeitet haben, da er 1935 von der Kammer für Handel, Gewerbe und Industrie in die Kommission für die Meisterprüfungen im Bezirk Bruck berufen wurde.
Neben der Familie Karpf bestanden damals noch einige weitere Tischlereien in Mannersdorf. Johann Engel führte seinen Betrieb in der Neustiftgasse und verstarb 1933. Im selben Jahr verschied auch Florian Fasching, dessen Tischlerei „Am Berg“ ansässig war – bereits sein Vater Franz und sein Großvater Thomas waren Tischlermeister gewesen. Josef Jagschitz hatte seine Werkstatt in der Schwemmgasse und führte den Betrieb bis zu seinem Tod 1932. Johann Leitner war bereits 1928 verstorben, so dass um 1930 eine ganze Generation von Mannersdorfer Tischlern „ausstarb“. Zur neuen Generation zählten nun Anton Karpf (sen.), aber auch Franz Fasching. Neu hinzukam bald auch Alois Spieß aus der Neugasse, der 1937 sein Elternhaus von Friedrich Sollak zur Tischlereiwerkstätte ausbauen ließ. Im Jahr 1938 bestanden zudem die Tischlereibetriebe von Friedrich Pichlhöfer und Johann Suk. Pichlhöfer stammte aus Lemberg und hatte 1929 Josefa Arthaber in Mannersdorf geheiratet – er verstarb im Zweiten Weltkrieg. Suk hatte bereits 1911 nach Mannersdorf geheiratet und Theresia Pitschmann zur Frau genommen. Neben Möbeln stellten die Mannersdorfer Tischler auch bei Todesfällen die Särge selbst her, wie Frieda Dunshirn noch zu berichten wusste. Dazu kam der Tischler ins Haus, nahm Maß und stellte den Sarg dann aus meist einfachem Holz her – um das billigere Material zu kaschieren wurde der Sarg dann noch tapeziert. Aus dieser Tätigkeit heraus entstanden dann bei den Tischlereien am Lande schrittweise auch Bestattungsunternehmen, so auch bei den Karpfs im Haus Jägerzeile 10. Anton Karpf sen. hatte 1951 die Befähigung zur Führung eines „Leichenbestattungsunternehmens“ erlangt.
Bereits während des Zweiten Weltkrieges begann Anton Karpf jun. 1943 bei seinem Vater Anton sen. die Tischlerlehre, die er 1946 abschließen sollte. Im Juli 1947 legte Anton jun. die Gesellenprüfung mit Auszeichnung ab. Großvater Mathias Karpf verbrachte indes seinen Lebensabend in den 1950er-Jahren als Pensionist unter bescheidenen Umständen und war auf die Unterstützung seines Sohnes Anton sen. angewiesen. Am 16. Juli 1957 verstarb der Tischlermeister in hohem Alter in seinem Haus in der Tattendorfgasse 48.
In der Nachkriegszeit wurde nun auch der über 20-Jährige Anton (Josef) Karpf jun. zu einem der führenden Vereinsmitglieder der Mannersdorfer Naturfreunde. Als begeisterter Bergsteiger und Schisportler initiierte er mit anderen die Errichtung einer eigenen Schipiste in Mannersdorf, die in den 1950er-Jahren schrittweise am Hang des Scheiterberges realisiert werden sollte. Auch familiär sollte sich das Glück einstellen, Tischlergeselle Anton jun. heiratete im Juni 1956 in Wien-Landstraße Margaretha Leidenfrost. Das Paar bekam drei Söhne, der älteste erhielt den Namen Anton (1956), dann folgte Andreas (1959) und als dritter kam Mario zur Welt. 1961 legte Anton (Josef) Karpf jun. in Eisenstadt die Meisterprüfung zum Tischlerhandwerk mit Erfolg ab.
Eine Preisliste der Tischlerei aus dem Jahr 1958 gibt ein wenig Auskunft über die damaligen Anschaffungskosten. Am teuersten war demnach die Anfertigung eines dreiteiligen Kastens, der kostete 1920 Schilling. Ein Bettenpaar schlug mit 1160 Schilling zu Buche und eine Küchenkredenz war ab 1500 Schilling aufwärts zu haben. Am günstigsten fuhr man mit einem Schemmel um 38 Schilling oder einem Nudelbrett um 80 Schilling aufwärts. 1961 übernahm Sohn Anton jun. („Toni“) den Betrieb von Anton sen. und richtete sich zunächst eine Betriebsstätte im Haus Jägerzeile 10 ein. Im Nachbarhaus Nr. 12 betrieb Margaretha „Grete“ Karpf indes ab 1966 einen „Kleinhandel mit Blumen und Kränzen“. Anton Karpf sen. waren nur wenige Jahre im Ruhestand vergönnt, im September 1965 verstarb er im Hainburger Krankenhaus. Mit dem Tod seiner Gattin Maria 1970 endete die zweite Tischlergeneration der Familie.
In den 1960er-Jahren waren auch der Mannersdorfer Tischlermeister Albert Renner und seine Gattin Karoline verstorben. Renner stammte aus Karl im Bezirk Oberpullendorf, wo sein Vater Schlosser war. Später war Renner nach Mannersdorf gekommen, wo er 1935 Karoline Trendl zur Frau nahm und zunächst Geselle bei Tischlermeister Josef Jagschitz in der Schwemmgasse wurde. Als Meister Jagschitz 1932 verstarb dürfte Renner den Betrieb übernommen haben, wie Frieda Dunshirn berichtet hat – später verlegte er seine Tischlerei in der Jägerzeile 17. Da nach Renners Tod offenbar kein Nachfolger vorhanden war, entschlossen sich die Töchter Hertha Leitner und Margarete Mussinan, den Tischlereibetrieb im Dezember 1966 an Anton „Toni“ Karpf zu verpachten. So übernahm dieser das Verkaufslokal und die Werkstätte in der Jägerzeile 17 und übersiedelte 1967 hierher. Nach einem „Probejahr“ wurde der Pachtvertrag dann bis 1972, später bis 1973 verlängert. So konnte Anton Karpf nun dauerhaft in der Jägerzeile bleiben und seinen Betrieb von hier aus führen. Von Anfang an bildete Toni auch laufend Lehrlinge aus, die meist aus Mannersdorf oder den Nachbarorten stammten – auch die Söhne Anton und Andreas standen bei Vater Toni in der Lehre.
Anton „Toni“ Karpf war nicht nur aktives Mitglied der Mannersdorfer Naturfreunde, sondern wirkte lange Jahre in der Gemeindepolitik mit. Seit 1975 saß Anton Karpf für die SPÖ im Gemeinderat und war zunächst bis 1980 als geschäftsführender Gemeinderat tätig. Von April 1980 an hatte er zudem das Amt des Vizebürgermeisters inne. In den frühen 1980er-Jahren wurde das Betriebsgebäude in der Jägerzeile erweitert und zu Wohnzwecken aufgestockt. Im Jahr 1989 legte Sohn Andreas Karpf die Meisterprüfung ab und übernahm 1991 auch offiziell den Tischlereibetrieb in der Jägerzeile. Bis 1990 amtierte Anton Karpf indes als Vizebürgermeister und zog sich danach aus der aktiven Gemeindepolitik zurück. Er wurde für seine Verdienste nicht nur von der Stadtgemeinde mit dem Ehrenring ausgezeichnet, sondern erhielt 1989 auch den Titel „Kommerzialrat“. 1991 verlieh ihm die Landesregierung zudem das Verdienstzeichen des Bundeslandes Niederösterreich. Toni engagierte sich weiterhin bei den Mannersdorfer Naturfreunden.
Im Jahr 1993 konnten Andreas und Anton Karpf den 100-jährigen Bestand des Familienbetriebes feierlich begehen und luden zu einem Tag der offenen Tür in die Jägerzeile. 2004 verschied Anton „Toni“ Karpf nach langer Krankheit in seinem Haus in der Tattendorfgasse – Gattin Grete verstarb im Dezember 2020.
Im Jahr 2013 konnte die Tischlerei Karpf auf 120 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicken und entsprechend feiern. Anfang 2017 eröffnete die Tischlerei Karpf ihren neugestalteten Schauraum. Nun schloss im Jahr 2020, nach 127 Jahren, der älteste noch bestehende Tischlereibetrieb Mannersdorfs seine Türen.
Foto 1: Lehrzeugnis von Anton (Toni) Karpf, 1947 (Familie Karpf)
Foto 2: Anton (Toni) Karpf mit Sohn Andreas, 1959 (Familie Karpf)
Foto 3: Anton (Toni) Karpf als Kommunalpolitiker mit Weihbischof Florian Kuntner (Familie Karpf)
Foto 4: Tischlerei Karpf, 1979: Johann Melka, Anton (Toni) Karpf, Silvia Karpf, Johann Riepl, Andreas Karpf, Josef Trendl, Alfred Kopinits, Franz Sommerer, Christian Wagenknecht und Anton Karpf (Familie Karpf)
Foto 5: Ausbau 1984 (Familie Karpf)
Foto 6: Anton (Toni) Karpf 1984 (Familie Karpf)
Foto 7: Kindergartenkinder zu Besuch in der Tischlerei, 1986 (Familie Karpf)
Foto 8: 100-Jahr-Jubiläum, 1993 (Familie Karpf)