Online-Gschichtl Nr. 73

Das Erdbeben von 1927

In der Zwischenkriegszeit wurde Mannersdorf und die gesamte Umgebung durch ein schweres Erdbeben erschüttert, Michael Schiebinger widmet diesem Ereignis das heutige Online-Gschichtl.

 

Das „Schwadorfer Erdbeben“ war eines der heftigsten, das Österreich je erlebt hat. Es wurde nach dem Epizentrum bei Schwadorf benannt und war noch lange in den Köpfen der hiesigen Bewohner präsent. Das Erdbeben ereignete sich am 8. Oktober 1927 um 20:49 Uhr am Abend und dauerte gerade einmal 10 Sekunden. Eine kurze Zeit, die aber ausreichte, um maximalen Schaden anzurichten. Die Mannersdorfer wurden bereits schlaftrunken aus den Betten gerissen und eilten teils spärlich bekleidet auf die Straße. Auch die Kinder liefen halbnackt herum, wie zeitgenössische Berichte lauten, und zwischendurch heulten die Hunde, die wie die Vögel vollkommen verstört waren. Die Leute gingen kurz in die Häuser zurück, berichtete Hans Kopf. Doch als sie die vielen Risse drinnen sahen, wurde ihnen bang und sie gingen wieder auf die Straße – sie trauten sich lange nicht wieder in ihre Häuser. Die Aufregung war groß und noch nicht gelegt, als am späten Abend gegen 22:30 Uhr noch ein Nachbeben folgte, das aber weit weniger stark ausfiel. Lehrer Josef Stahl schrieb in der Schulchronik davon, dass die Häuser schwankten und der Dachstühle gehoben worden sein. Uhren blieben stehen und Gefäße fielen um. Auch Hans Kopf beschrieb die bangen Momente. „Alles schwankt, wankt, wellt, klirrt und scheppert und kracht!“ Die Fenster zersprangen und die Dachziegel klatschten auf die Straße.

Frieda Dunshirn, die letzte Wirtin des gleichnamigen Gasthauses auf der Halterzeile, konnte sich noch gut an den Tag des Erdbebens erinnern. Sie wollte gerade mit ihrem Onkel das Haus verlassen und griff schon zur Türschnalle des Einfahrtstores. Auf einmal erzitterte alles und es gab einen ordentlichen Schepperer, der Kamin der Schmiede ihres Bruders, die im Hof untergebracht war, war durch das Erdbeben zusammengestürzt. Auch im Haus, in allen Zimmern entstanden deutliche Risse. So wie den Dunshirn erging es vielen Mannersdorfern, deren meist fragil errichtete, alte Rauchfänge eingestürzt waren. Die Häuser und das Schulhaus auf der Hauptstraße verloren viele Dachziegel. Auf der Halterzeile waren ganze Hausgiebel herabgestürzt, der Schwabenhof und das Haus Am Berg 6 mussten mit Eisenschließen stabilisiert werden, da große Risse entstanden waren. Bei 100 der 465 Häuser des Marktes bestand ein besonders hoher Sanierungsbedarf, bei den anderen mussten aber auch diverse Arbeiten durchgeführt werden.

Das Erdbeben hinließ auch an den großen Bauten des Marktes seine Spuren, bei der Pfarrkirche hatte sich der Turm vom Langhaus gelöst. Der Spalt war eine ganze Hand breit, der Schaden konnte aber vorerst nicht behoben werden. Erst einige Jahre später wurde der Turm saniert und der Riss geschlossen. Schäden traten auch beim Mannersdorfer Schloss auf, wo der Maria-Theresien-Saal besonders betroffen war. Die dortige Holzdecke hielt den Putz des Freskos, an dem nun große Risse entstanden sind. Trotz verschiedener Konservierungsmaßnahmen hat die Rissproblematik am Fresko bis heute nicht abgenommen. Selbst an Kleindenkmälern zeigte sich ein Schadensbild, denn das Beben hatte das Pollykreuz beim Park umgeworfen. Es musste danach aufwendig von Bildhauer Marin Hof sen. wiederhergestellt werden.

In Wasenbruck war man ebenso von dem Erdbeben überrascht worden, viele Bewohner liefen ins Kinderheim, wo sie Schutz vermuteten. An vielen Gebäuden des Ortes entstanden Risse, auch in der Filztuchfabrik von Hutter und Schrantz kam es zu Schäden. Allesamt waren Mannersdorf und Wasenbruck aber relativ gut davongekommen, denn in Enzersdorf und in Schwadorf, also im Epizentrum, waren die Schäden noch gewaltiger. Ganze Häuser waren gefährdet einzustürzen und mussten abgetragen werden. In den Folgewochen ereigneten sich noch weitere Nachbeben, die die Bevölkerung in Atem hielten. Indes begutachtete eine Kommission der Bezirkshauptmannschaft die durch das Hauptbeben verursachten Bauschäden. In Götzendorf, wo ebenfalls Kamine und Dachziegel herabgestürzt waren und Mauerrisse entstanden, erhielten einige Bewohner einen Teil der Schäden durch eine Notstandsunterstützung ersetzt. Es ist anzunehmen, dass ähnliche Unterstützungen auch in Mannersdorf gewährt wurden.

 

Das Erdbeben von 1927 war nicht das erste und auch nicht das letzte, das Mannersdorf erlebt hat. Bereits im Barock wurden Erdbeben in der Klosterchronik von St. Anna in der Wüste verzeichnet. So auch am 28. Juni 1763, als um 5 Uhr morgens die Erde bebte, gerade als der Konvent zum Frühgebet zusammengekommen war. Voller Angst liefen die Mönche ins Freie. Während in der Umgebung große Schäden entstanden, blieb das Kloster aber verschont. Am Morgen des 5. August 1766 wurden die Karmeliter abermals durch einen Erdstoß aufgeschreckt. Diesmal kam es zu Rissen an den Gewölben und Wänden, auch folgten zwei starke Nachbeben. 1779 erschütterte ein „Donnerschlag“ die Wüste, man ging zunächst abermals von einem Erdbeben aus. Erst später erfuhren die Mönche, dass die Ursache aber eine heftige Explosion war. In Wien war der Pulverturm an der Nussdorfer Linie (heute Pulverturmgasse) in die Luft geflogen. Am 19. Februar 1908 gab es dann einen heftigen Erdstoß, der tatsächlich von einem Beben herrührte – im Markt Mannersdorf kam es zu Rissen an den Häusern.


Foto 1: Risse am Fresko des Maria-Theresien-Saales von Schloss Mannersdorf, 1927 durch das Erdbeben entstanden (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 2: Zeitungsbericht über das Erdbeben und seine Folgen (Niederösterreichischer Grenzbote, 16. Oktober 1927)

Foto 3: Erst Jahre nach dem Erdbeben konnten die Schäden am Kirchturm beseitigt werden, 1933 (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)

Foto 4: Zeitungsbericht über das Erdbeben und seine Folgen (Volkspost, 15. Oktober 1927)

Foto 5: Das Pollykreuz nach seiner Wiederaufstellung 1936, das Erdbeben von 1927 hatte es umgeworfen und beschädigt (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)