In den bisherigen Online-Gschichtln ist immer wieder der Name von Bürgermeister Josef Haidn erwähnt worden. Michael Schiebinger widmet sich diesmal jener bedeutenden Mannersdorfer Persönlichkeit der Zwischenkriegszeit.
Josef Haidn wurde am 16. Februar 1888 in Mannersdorf, genauer gesagt im Haus Nr. 89, geboren. Sein Vater Johann war „Mehlverschleißer“ und stammte aus Ober-Piesting im Bezirk Wiener Neustadt-Land – seine Familie war dort im Mühlengewerbe tätig gewesen. Josef Haidns Mutter Katharina war eine geborene Appel und aus Mannersdorf gebürtig. Haidns Vater kam hierher und heiratete mit 47 Jahren seine um 22 Jahre jüngere Katharina – als Sohn Josef zur Welt kam, war der Vater bereits 59 Jahre alt. Josef Haidn dürfte zunächst die Schule in Mannersdorf besucht haben. Da er später Lehrer wurde, muss er eine entsprechende Ausbildung erhalten haben und besuchte womöglich als Jugendlicher eine höhere Schule. Seinem Alter entsprechend ist auch eine Teilnahme am Ersten Weltkrieg als wahrscheinlich anzunehmen.
Erst nach dem Ende der Monarchie und des Ersten Weltkrieges wird Haidns Lebensweg wieder fassbar. Er dürfte damals bereits als Lehrer an der Mannersdorfer Schule unterrichtet haben und wohnte im Haus Nr. 168. In jenen Tagen lernte er auch Karoline Stahl kennen, die Tochter des Gastwirts Josef Stahl. Am 20. August 1920 ehelichte Josef Haidn seine Karoline in der Mannersdorfer Pfarrkirche. Haidns vier Jahre jüngerer Schwager Josef Stahl jun. war sein Trauzeuge und Lehrerkollege, auch er sollte einmal Bürgermeister von Mannersdorf werden.
In den 1920er-Jahren zog es Josef Haidn in die Politik, wahrscheinlich kam er schon früh mit der Sozialdemokratie in Kontakt, für die er nun als Mandatar in der Gemeinde und in der Berufsvertretung tätig werden sollte. Der christlich-soziale Politiker Franz Parrer war bis 1918 der letzte Bürgermeister während der Monarchie gewesen. In der jungen Republik und unter den Vorzeichen des nun gleichen Wahlrechts konnten sich aber die Sozialdemokraten 1919 mit 13 Mandaten als stimmenstärkste Fraktion etablieren. So fungierte zunächst Alexander Seracsin als Bürgermeister. Im April 1921 folgte die nächste Gemeinderatswahl, die Sozialdemokraten erhielten nun 15 Mandate und Franz Zerzawy wurde zum Bürgermeister gekürt. Noch in der laufenden Gemeinderatsperiode übernahm Josef Haidn 1922 das Amt des Bürgermeisters. Bei der Wahl 1924 errang er für seine Partei 16 Sitze, während die Christlich-Sozialen 3 Mandate hielten. Auch beruflich ging es bergauf, denn 1923 wurde Haidn nach der Pensionierung von Eduard Pretsch zum Oberlehrer der Mannersdorfer Schule berufen.
Als Bürgermeister nahm sich Josef Haidn zweifelsohne die Gemeinde- und Fürsorgepolitik des „Roten Wien“ zum Vorbild und setzte in den kommenden Jahren ein ambitioniertes Reformprogramm um. Er sorgte für eine effiziente und sparsame Gemeindeverwaltung, für die er den alten Pfarrhof in ein neues Rathaus verwandeln ließ. Dafür holte er mit Alfons Hetmanek und Franz Kaym zwei versierte Architekten des „Roten Wien“ nach Mannersdorf. Als Ersatz für den alten Pfarrhof wurde unter Beteiligung der Marktgemeinde ein Neubau in der Unteren Kirchengasse errichtet. Ein keineswegs selbstverständlicher Akt, wenn man das damals schwierige Verhältnis der Sozialdemokratie zur katholischen Kirche bedenkt. Haidn sorgte aber auch für ein modernes Elektrizitätswerk sowie für den Ausbau von Wasserleitungen und der Kanalisation. Er setzte sich für das Gesundheitswesen ein, gründete 1924 eine Mutterberatungsstelle und einen gemeindeeigenen Sanitätsdienst. Aber auch der Ortsteil Wasenbruck kam nicht zu kurz, so entstand dort unter Hetmanek und Kaym ein Kindergartenneubau.
Nach dem Ende seiner ersten Amtszeit legte Haidn im Wahljahr 1929 einen gedruckten Tätigkeitsbericht über die vergangenen Jahre vor. Und die Bevölkerung guttierte diesen, denn Haidns Partei wurde wiedergewählt und er konnte seine zweite Amtszeit antreten. Noch 1930 wurde das Projekt eines Gemeindebades verwirklicht und das durch Hetmanek umgebaute Thermalbad eröffnet. Im Haydngedenkjahr 1932 konnte der Bürgermeister dann jenes Denkmal enthüllen, das seinem berühmten Namensvetter und Musiker gewidmet worden war. Josef Haidns kulturelles Engagement zeigt sich letztlich auch in den von der Marktgemeinde finanzierten Renovierungen Mannersdorfer Kleindenkmäler.
Im Jahr 1934, nachdem die Ständestaatdiktatur ihre Maiverfassung eingeführt hatte, alle politisch-gegnerischen Parteien verboten und die demokratisch legitimierten Mandatare abgesetzt worden waren, verlor auch Josef Haidn sein Amt als Bürgermeister. Auch beruflich wurde er, wie alle sozialdemokratischen Lehrer, seines Dienstes enthoben. Als Privatmann hegte Haidn eine große Begeisterung für die Jagd, während man ihm im Ort auf seinen Spaziergängen oder bei Veranstaltungen begegnen konnte. Karoline und Josef Haidns Ehe sollte allerdings kinderlos bleiben. Im Februar 1938 konnte Haidn seinen 50. Geburtstag begehen, der Jubilar wurde aber alsbald von seinen gesundheitlichen Problemen eingeholt.
Josef Haidn verstarb noch am 21. Juli 1938 an einem Schlaganfall. Ein Nachruf im Brucker Bezirksboten würdigte den Mannersdorfer Lehrer und Politiker. Ein bemerkenswerter Umstand in jenen Tagen, da der Verstorbene immerhin ein prominenter Sozialdemokrat war. Schon länger hatte der passionierte Zigarettenraucher Haidn mit Herzproblemen und Asthma zu kämpfen. Sein jäher Tod sorgte für große Bestürzung, zwei Tage zuvor hatte er noch die Sonnwendfeier besucht. Unter großer Anteilnahme wurde Haidn in Mannersdorf beigesetzt, denn er genoss bis zuletzt Wertschätzung und Anerkennung – über Parteigrenzen und Ideologien hinweg. Witwe Karoline Haidn sollte ein langes Leben beschieden sein, sie verstarb erst 1974.
Bürgermeister Josef Haidn und sein Werk scheint heute vielfach vergessen zu sein – bald 100 Jahre nach seiner Wahl zum Bürgermeister erinnert heute weder eine Straße, noch ein Platz an einen der bedeutendsten Mannerdorfer Politiker!
Foto 1: Bürgermeister und Oberlehrer Josef Haidn, 1927/28 (Archiv Karl Trenker)
Foto 2: Josef Haidn, um 1920 (Archiv Karl Trenker)
Foto 3: Zeitungsartikel zur "Aufbautätigkeit einer roten Gemeinde", 1930 (Brucker Grenzbote)
Foto 4: Tätigkeitsbericht des Gemeinderates im Wahljahr 1929 (Archiv Michael Schiebinger)
Foto 5: Oberlehrer Josef Haidn mit seinen Schülerinnen, um 1930 (Archiv Michael Schiebinger)
Foto 6: Zeitungsartikel zum Tod von Josef Haidn, 1938 (Brucker Grenzbote)