Nach den Schmieden stehen diesmal die Mannersdorfer Wagner im Mittelpunkt des Beitrages von Michael Schiebinger.
Mit dem Handwerk der Schmiede eng verwandt waren die Wagner, die neben Rädern, Achsen, Kufen und Speichen auch ganze Fuhrwerke und Kutschen herstellten und dabei häufig auf Schmiedeeisenwaren zurückgreifen mussten. Sie selbst arbeiteten freilich hauptsächlich mit dem Material Holz, wobei alle gängigen heimischen Gehölze zum Einsatz kamen. Zur Jahrhundertwende gab es in Mannersdorf vier Wagnermeister, es waren dies Anton Eberle, Gotthard Josef Müller, Stefan Tomaschowitz und Leopold Zwerger. Sie waren teils von auswärts zugezogen und teils auch als erste ihrer Familien in dem Handwerkszweig tätig.
Mit der beginnenden Motorisierung auf dem Lande, die bei uns in der Zwischenkriegszeit einsetzte, wurden die Fuhrwerke schrittweise durch Lastkraftwagen und Traktoren ersetzt. 1938 waren in Mannersdorf noch drei Wagnerbetriebe vorhanden, jene von Josef Müller, Friedrich Zwerger und Franz Weitzberger. Der große Umbruch in der Modernisierung des meist landwirtschaftlichen Fuhrparks setzte aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein, noch weit in die Nachkriegsjahre hinein waren die alten Fuhrwerke im Einsatz, die von Pferden und Rindern gezogen wurden. Mit den Holzwägen verwand dann auch das Handwerk der Wagnermeister, die letzte Generation ging in Mannersdorf etwa um 1960 in Ruhestand. Wer waren nun die Wagnermeister im Ort? Werfen wir dazu einen kleinen Blick auf ihre Lebensgeschichten.
Beginnen wir bei Wagnermeister Gotthard Josef Müller, er war 1877 in Wien-Josefstadt als uneheliches Kind der Apollonia Müller zur Welt gekommen. Die Mutter stammte aus Erdberg bei Znaim/Hrádek u Znojma in Mähren. Als Taufpatin schien die Wagnersgattin Maria Fiedler aus der Apostelgasse in Wien-Erdberg auf. Es scheint so, als wäre Gotthard Josef von der Wagnerfamilie Fiedler aufgezogen worden. So dürfte er dann auch das Handwerk des Ziehvaters erlernt haben. 1903 war Müller bereits als Wagnermeister in Mannersdorf ansässig und nahm im selben Jahr Hedwig Ackerl zur Frau. Als Trauzeugen fungierten der Wagnermeister Josef Fiedler aus Wien-Erdberg und der Mannersdorfer Wagnermeister Leopold Zwerger.
Die Zwerger sind zwar noch heute als Kaufmannsfamilie bekannt, ihre Wurzeln lagen aber im Wagnerhandwerk. Erst vor 1900 bildete sich der Kaufmannszweig, während das Wagnerhandwerk vom zweiten Familienzweig fortgeführt wurde. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts war mit Johann Zwerger sen. ein Wagnermeister das Familienoberhaupt. Sein Sohn Johann jun. war Jahrgang 1823 und sollte das Handwerk des Vaters fortführen. 1851 nahm er Anna Eder zur Frau. 1854 kam Sohn Leopold zur Welt, der ebenso das Familienhandwerk erlernen sollte. Im Jahr 1884 vermählte er sich als angehender Wagnermeister mit Katharina Hummel, aus der Ehe sollte zahlreiche Kinder hervorgehen. 1881 war Sohn Friedrich geboren worden, er sollte natürlich das Wagnerhandwerk erlernen und in der Jägerzeile fortführen. Friedrich Zwerger zählte zur letzten Generation der Mannersdorfer Wagner und verstarb 1966. Sein Bruder Leopold jun. war zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Wien-Favoriten ansässig, wo er als Kutscher tätig war – seine Herkunft aus einer Wagnerfamilie dürfte da wohl sehr nützlich gewesen sein.
Wagnermeister Stefan Tomaschowitz (auch Tomasovicz) wurde 1849 in Krajna in Ungarn geboren und war der Sohn eines Bauern. Sein Heimatort liegt heute in Slowenien in der Gemeinde Tišina, das dortige Übermurgebiet/ Prekmurje war erst 1920 von Ungarn an das damalige Königreich Jugoslawien gekommen. Tomaschowitz ließ sich später in Mannersdorf nieder, wo er 1887 Barbara Lerch aus Pischelsdorf heiratete. Tomaschowitz schien noch um 1900 als Wagner in Mannersdorf auf, danach verliert sich seine Spur.
Wagnermeister Anton Eberle war 1840 in Mannersdorf geboren worden und in erster Ehe mit Barbara Marschitz verheiratet. Nach dem frühen Tod seiner Frau ging Eberle 1871 eine zweite Ehe mit Theresia Schäfer ein. Anton Eberle schien sein Handwerk etliche Jahrzehnte ausgeübt zu haben. Dann dürfte ihn ein trauriges Ende ereilt haben. Wie der Bezirksbote berichtete verließ der Wagnermeister am 24. Juli 1902 sein Mannersdorfer Wohnhaus und begab sich nach Wien, wo er sich angeblich bei der Reichsbrücke in die Donau stürzte. Offenbar wurde seine Leiche nie gefunden und so galt Eberle noch Jahre später als vermisst. Erst 1921 wurde ein Verfahren zur Todeserklärung eingeleitet.
Der Wagnermeister Franz Lutzer stammte aus Jetzelsdorf im nördlichen Weinviertel, wo er 1880 geboren worden war. Sein Vater war Kleinhändler, sodass der Junge erst in sein späteres Handwerk hineinwachsen musste. 1903 nahm Franz Lutzer in Wien-Favoriten die 20-jährige Pauline Wallner zur Frau. Die Braut stammte aus Mannersdorf, wo sich das junge Paar dann auch niederlies und Franz einige Zeit als Wagner tätig war. Später stieg die Familie Lutzer in den Handel mit Schweinen ein, wie Frieda Dunshirn berichtete. Hinter der Hoferstraße wurden sogar eigene „Saumärkte“ zum Verkauf der Tiere abgehalten. Franz Lutzer verstarb 1953.
Der Wagnermeister Josef Marold kam der Liebe wegen nach Mannersdorf, er war 1907 in Trautmannsdorf geboren worden und nahm 1931 Aloisia, die Tochter des Mannersdorfer Bäckermeisters Leopold Kolb (Hauptstraße 25), zur Frau. Frieda Dunshirn zu folge dürfte Marold aber nur kurze Zeit als Wagner in Mannersdorf tätig gewesen sein – 1938 schien er jedenfalls nicht mehr im Telefonbuch auf.
Franz Weitzberger war als Wagnermeister in der Tattendorfgasse 34 ansässig. Er war 1904 in Mannersdorf geboren worden und der Sohn des Kleinhäuslers Johann Weitzberger. Das Wagnerhandwerk hatte also auch bei ihm keine Familientradition. Mit 33 Jahren heiratete Franz 1937 Katharina Weinkum. Weitzberger dürfte das Handwerk dann einige Zeit ausgeübt haben, er verstarb 1980 als letzter Mannersdorfer Wagnermeister.
Foto 1: Die Mannersdorfer Wagner hatten wohl laufend Kundschaft, waren doch die schwer beladenen Steinwägen alle aus Holz gefertigt (Digitales Archiv Stadtmuseum Mannersdorf)
Foto 2: Die Holzwägen wurden auch für Spazierfahrten genutzt (Archiv Michael Schiebinger)
Foto 3: Den winterlichen Straßen mussten die Holzräder trotzen (Archiv Wolfgang Gottschy)
Foto 4: Und auch "feinere" Kutschen für besondere Ausfahrten fertigten die Wagnermeister (Archiv Karl Trenker)