Online-Gschichtl Nr. 117

Bürgermeister Stefan Santruschitz

Nach den Beiträgen zu seinen Amtsvorgängern ist nun Bürgermeister Stefan Santruschitz mit einem Porträt an der Reihe. Michael Schiebinger konnte klären, dass Santruschitz‘ kurze Amtszeit in einer persönlichen Tragödie endete.

 

Stefan Santruschitz (auch Stephan Sandruschitz) wurde am 17. Juli 1817 in Mannersdorf geboren. Er war der Sohn von Stephan Sandruschitz und dessen Gattin Dorothea. Beide hatten 1814 in Mannersdorf die Ehe geschlossen und waren wohl weitschichtig verwandt, da Dorothea eine geborene Sandruschitz war. Stephan sen. wurde in den Kirchenbüchern als „Mitnachbar“ bezeichnet, war also steuerzahlender Hausbesitzer – über seine Profession ist aber nichts überliefert. Stefan jun. war das älteste Kind der Familie, 1819 bis 1830 wurden seine Geschwister Theresia, Mathias, Georg, Simon, Franz Xaver und Andreas geboren. Stefan besuchte zunächst die Schule und begann nach 1830 die Steinmetzlehre. In den frühen 1840er-Jahren schien er dann bereits als Geselle auf.

Am 7. Februar 1843 vermählte sich Stefan Santruschitz im Alter von 26 Jahren mit der drei Jahre älteren Anna Lichtmeßer, der Tochter des Mannersdorfer Steinmetzmeisters Joseph Lichtmeßer. Stefan, damals Steinmetzgeselle, dürfte wohl bei oder mit Vater Lichtmeßer gearbeitet haben und dort auch die Tochter des Hauses kennengelernt haben. Für die Heirat im Steinmetzumfeld spricht auch der Umstand, dass Steinmetzmeister Valentin Polly als Trauzeuge fungierte. Polly wurde auch der Taufpate und Namensgeber des ersten Sohnes, der dem jungen Ehepaar im April 1844 geboren wurde. 1845 folgte dann Tochter Theresia, 1847 Tochter Josepha und 1848 Sohn Stefan. Im Jahr 1850 kam Sohn Joseph zur Welt, der aber nur wenige Monate alt wurde. 1852 wurde Sohn Mathias geboren und 1853 folgte Sohn Franz Xaver. Mit dem Nachzügler Johann bekam das kinderreiche Paar 1857 noch einen weiteren Sohn.

Im Jahr 1873 wurde Stefan Santruschitz zum Bürgermeister von Mannersdorf gewählt. Seit 1870 standen diesem Amt vier geschäftsführende Gemeinderäte zur Seite, die gewissermaßen die „Regierung“ bildeten. Der Gemeindeausschuss wiederum war so etwas wie das „Parlament“ dazu und entsprach unserem heutigen Gemeinderat. Der Ausschuss hatte 18 gewählte Mitglieder, zudem gehörte ihm stets ein Vertreter des herrschaftlichen Gutes Scharfeneck an. Mit dem Amtsantritt von Bürgermeister Stefan Santruschitz im Jahr 1873 wurde nun erstmals auch ein Gemeindebeamter bestellt, der die Verwaltungsarbeit zu leisten hatte. In Santruschitz‘ Amtszeit fiel 1874 auch die Einrichtung eines eigenen Gendarmeriepostens in Mannersdorf.

Bürgermeister Santruschitz amtierte erst drei Jahre, als ihn, seine Familie und Mannersdorf ein tragisches Ereignis einholte. Am 26. August 1875 berichtete das wöchentlich erscheinende Boulevardblatt „Gemeinde-Zeitung“ von einem besonderen Unglücksfall in Mannersdorf, „der weit über die Grenzen dieses Dorfes hinaus Sensation erregte“. Wie das Blatt vermeldete, lebte der Mannersdorfer Bürgermeister Stefan Santruschitz seit längerem in „ehelichem Unfrieden“. Als er nun wieder einmal spätnachts nach Hause kam, soll ihm seine, als eifersüchtig titulierte Gattin Anna verschiedene Vorhaltungen gemacht haben. Als Reaktion soll Stefan Santruschitz seiner Anna mit dem Erstechen gedroht haben und ihr ein „scharfes Messer“ entgegengehalten haben. Auf das Geschrei hin sei ein „Sohn des Hauses“ herbeigeeilt und es sei zu einem Handgemenge mit dem Vater gekommen. Der Sohn sei dabei dem Vater in das Messer gerannt und sofort verstorben – Bürgermeister Santruschitz sei danach „sofort eingezogen“ (verhaftet) worden.

Im Sterbebuch von Mannersdorf ist tatsächlich der Tod von Mathias Santruschitz vermerkt. Er verstarb am 9. August 1875 um drei Uhr nachmittags im Haus Nr. 61 im Alter von 24 Jahren. Das Sterbebuch nennt eine innere Verblutung in Folge einer Verletzung als Todesursache, der Tote sei am 10. August gerichtlich obduziert und am Folgetag beigesetzt worden. Nähere Angaben zur tödlichen Verletzung fehlen jedoch.

Am 21. September 1875 berichtete das Blatt „Gemeinde-Zeitung“ abermals über die Bluttat von Mannersdorf. Bürgermeister und Realitätenbesitzer Stefan Santruschitz sei nun in das Landesgericht nach Wien eingeliefert worden. Ganz genau nahm es das Blatt dann mit dem Bericht nicht, denn es behauptete, dass Santruschitz‘ ältester Sohn Stefan zu Tode gekommen sei. Stefan war aber nicht der älteste Sohn und das Opfer war in Wirklichkeit sein jüngerer Bruder Mathias. Auch wurde der Tathergang nun anders dargestellt, demnach sei alles in einem Brucker Gasthaus passiert. Sohn Stefan habe heimlich Hafer aus dem Haus „verschleppt“ und in Bruck Fuhrwerkern verkauft. Der Vater habe den Sohn in einem Brucker Gasthaus ertappt und zur Rede gestellt. Der Sohn habe dann auf den Vater eingeschlagen und dieser hätte dann sein Messer gezogen und Sohn Stefan (!) in die Brust gestoßen – drei Tage danach sei der Sohn an den Folgen verstorben.

Am 5. Oktober 1875 berichtete dann die „Gemeinde-Zeitung“ vom Prozess am Wiener Landesgericht. Bürgermeister Santruschitz gab zu Protokoll, dass er immer wieder mit seinem Sohn Mathias in Streit geraten wäre, da dieser Gelder unterschlagen hätte. Am 6. August 1875 sei es wieder zu einem Streit zwischen Vater und Sohn gekommen, bei dem Gattin Anna für den Sohn Partei ergriffen habe. Stefan Santruschitz habe daraufhin seinen Zorn im Wirtshaus begossen und sei spät nach Hause gekommen. Mathias habe ihn dann gepackt und gewürgt, im Rausch packte der Vater ein auf der Bank liegendes Messer. Santruschitz konnte oder wollte aber nicht sagen, ob er zur Abwehr auf den Sohn eingestochen habe oder ob dieser in das Messer gerannt sei. Anna Santruschitz bestätigte die Angaben ihres Mannes vor Gericht und berichtete, dass sich Mathias und sein Vater noch am Tag vor dem Streit versöhnt gehabt hätten. Zeugen gaben weiters an, dass Mathias dem Vater viele Sorgen bereitet habe. Der Staatsanwalt, so der Zeitungsbericht, hat dann die Anklage auf „Vergehen gegen die Sicherheit des Lebens“ abgeändert und das Geschworenengericht hat mit 11 gegen eine Stimme Stefan Santruschitz vom Delikt des Totschlags freigesprochen. Wegen des „Vergehens gegen die Sicherheit des Lebens“ wurde der Mannersdorfer Bürgermeister aber zu vier Monaten „strengen Arrests“ verurteilt.

Das tragische Ende des Vater-Sohn-Streits änderte so nicht nur das weitere Leben von Stefan Santruschitz und seiner Familie, sondern beendete so auch seine Amtszeit als Bürgermeister von Mannersdorf. Das verurteilte Ortsoberhaupt und seine Tat stehen so für einen Kriminalfall, der den Markt und die Umgebung zweifelsohne aufgerüttelt hat. Das weitere Leben der Familie in Mannersdorf wird nicht das einfachste gewesen sein. Zu Spott, Hohn, und Sensationsgier werden sich vielleicht auch Mitleid und Anteilnahme gesellt haben, immerhin galt der gewesene Bürgermeister bisher als unbescholten und angesehen. Noch 1875 übernahm jedenfalls Franz Ludescher das Amt des Mannersdorfer Bürgermeisters.

 

Dem Ehepaar Santruschitz blieben noch etwas mehr als 10 Jahre, wie sie ihren Lebensabend verbracht haben, war nicht zu eruieren. Gattin Anna verstarb im Dezember 1886 an einer Gehirnlähmung, Stefan Santruschitz sollte ihr am 8. Oktober 1887 nachfolgen. Er verschied mit 70 Jahren als „Ausnehmer“ im Haus Nr. 149 an den Folgen eines Lungenödems – zwei Tage danach wurde er auf dem Mannersdorfer Friedhof beigesetzt.


Foto 1: Bürgermeisterporträt von Stefan Santruschitz (auch Sandruschitz) (Karl Trenker)

Foto 2: Wiener Landesgericht - das "Graue Haus" - hier fand der Prozess gegen Santruschitz statt

(Stadtbefestigung, Glacis gegen die Josefstadt, 1859, CC0, Wien Museum Online Sammlung, Inv.Nr. 79825 1-2)

Foto 3: Ein zeitgenössischer Zeitungsbericht zum Fall Santruschitz (Gemeinde-Zeitung vom 26. August 1875)

Foto 4: Ein weiterer Zeitungsbericht (Neues Fremden-Blatt vom 18. September 1875)