In zwei Teilen möchte Johann Amsis diesmal über die Sänger und Musikanten von Wasenbruck berichten, soweit er sie noch persönlich oder durch Erzählungen kannte.
Wasenbruck war einmal ein Ort voller Vereine, meine Mutter sagte immer: „de oidn Behm woan lauta Vereinsmeier“. Die alten „Woibehm“ waren sehr gesellige Leute und in den örtlichen Vereinen tätig, ob bei der Musik oder bei den Sportgruppen. Der Wirtshausbesuch ging sich aufgrund der finanziellen Lage eher selten aus und Fernseher gab es zum Zeitvertreib auch noch keinen, so entstand in Wasenbruck ein reges Vereinsleben. Bei Durchsicht der alten Bilder ist mir eines vom Männergesangsverein Wasenbruck in die Hände gefallen. Es stammt aus dem Jahr 1928, daher konnte ich mir eigentlich nicht vorstellen, jemand Bekannten darauf zu erkennen. Bei näherer Betrachtung des Bildes kamen aber die Erinnerungen an meine Kindheitstage zurück und ich sah einige Männer auf dem Bild, die ich noch persönlich kannte – etwa Schuldirektor Karl Oels aus meiner Volksschulzeit. Oels war Leiter und Dirigent des Männergesangsvereins. Auch so mancher Groß- und Urgroßvater unserer Kindergeneration war am Bild auszumachen.
Die Blasmusik spielte in Wasenbruck eine ebenso wichtige Rolle. Schon früh, nach der Gründung der Firma Hutter und Schrantz, wurde eine eigene Werkskapelle formiert. Diese spielte bei jeder Feierlichkeit auf, ob bei Betriebsversammlungen, beim Maiaufmarsch oder bei Begräbnissen. Das älteste Foto der Werkskapelle, das ich gefunden habe, stammt aus dem Jahre 1933. Aus dem Jahr 1936 gibt es ein weiteres Foto, wo die Kapelle vor dem Kino aufspielte. Die Gäste saßen an Tischen und Bänken vor den Waschküchen, mit einem Wort im heutigen Garten der Familie Großschartner. Die Wirtsleute und die Kellner hatten da nicht weit zu tragen, sie brauchten nur bei der Eingangstüre der Gaststube, in den Hof gehen, um die Gäste zu bewirten. Solche Feste gab es auch noch in den 1960er-Jahren, damals war sogar eine „Schiassbudl“ aufgestellt, wo wir Kinder mit einem Luftdruckgewehr auf Papierrosen schießen durften. Im Schatten der riesigen Kastanienbäume war es recht gemütlich und ein Landler war auf dem aufgebauten Tanzpodium schnell einmal runtergedreht. Diese Veranstaltungen waren gerne besucht, da herrschte immer gute Stimmung. In der Weinseligkeit konnte man schon einmal die Sonne aufgehen sehen.
Neben der Blasmusik gab es in Wasenbruck auch einen „Zinserlklub“, wie die Gruppe genannt wurde. In dieser wurden nur Saiteninstrumente verwendet, wie Gitarren, Mandolinen, Geigen oder Kontrabässe. Vom Zinserlklub fand sich leider kein Foto mehr, die Gruppe dürfte aber in der Zwischenkriegszeit aktiv gewesen sein.
Dann gab es noch die „Pschiwi-Kapelle“, die eigentlich Pribil-Kapelle heißen müsste. Aber die Wasenbrucker machten aus Pribil sprachlich einfach „Pschiwi“. Auch die Familie selbst bezeichnet sich noch heute so. Der böhmische Familienname hatte vor der Eindeutschung sicher einst ein tschechisches „R“ mit Hatschek, das als „Sch“ auszusprechen ist – so dürfte wohl der Name „Pschiwi“ entstanden sein. Die Kapelle bestand jedenfalls in den Nachkriegsjahren, wenn nicht sogar schon in der Zwischenkriegszeit. Nach meiner Erinnerung spielte sie beim Maiaufmarsch, bei Begräbnissen und anderen Festivitäten auf. Doch dann sah ich ein Foto aus dem Jahr 1949, abgebildet war eine Jubiläumsfeier der Firma Hutter & Schrantz. Erkennbar war, dass ein Herr „Pschiwi“ das Orchester dirigierte, während ein zweiter Herr „Pschiwi“ Geige spielte. Also musste ich bei einer alten „Woibehmin“ nachfragen: „Helga, woicha Herr Pschiwi dirigiert des Orchesta?“ „Des was ih ah ned, owa i frog de Hansi!“, bekam ich zunächst als spärliche Auskunft. Am nächsten Tag kam dann der ersehnte Anruf mit der erhofften Antwort: der Dirigent war der Maxl und der Geigenspieler war der Schal. Maxl Pribil war der Dirigent, nicht weil er der Chef des Orchesters war, sondern weil er nahezu alle Instrumente im Orchester spielen konnte. Er hatte ein besonderes Musikgefühl und Gehör, sodass er sogar mit geschlossenen Augen vor der Saaltüre hören konnte, von wem ein falscher Ton kam. Schal Pschiwi, der Vater von Hansi (Johanna) konnte hingegen „nur“ zwei Instrumente: die Geige und die C-Trompete. Das Orchester, das Maxl dirigierte, bestand nicht nur aus den Blasinstrumenten, sondern auch aus Geigen, einem Kontrabass, einem Schlagzeug und einem Klavier. Ich würde diese Besetzung eigentlich als Salonorchester bezeichnen.
Einige Musiker auf dem Foto von 1949 spielten auch in einer eigenen Besetzung zum Tanz auf. Diese Formation war als Bernleitner-Kapelle sehr bekannt und beliebt. Sie kamen mit ihren Auftritten sogar bis nach Klagenfurt, was für die damalige Zeit sehr beachtlich war. Einmal hat mir ein Musiker der Kapelle erzählt, wie hart das Musikerleben in den späten 1950er-Jahren war. Sie hatten im Fasching im tiefsten Winter bei Eis und Schnee einen Ball in Seibersdorf „zu spielen“. Niemand hatte ein Auto und so mussten sie zu Fuß mit den Instrumenten nach Seibersdorf gehen und in der Früh, bei ärgstem Schneetreiben, mit einem ordentlichen Rausch wieder nach Hause torkeln.
Eine sehr beliebte Musikformation war auch die Benke-Kapelle aus Mannersdorf. Diese spielte des Öfteren auch bei den diversen Veranstaltungen in Wasenbruck. Aus der „Pschiwi–Kapelle“ und der „Bernleitner-Kapelle“ fanden sich auch immer wieder Musikanten zusammen, die am Heiligen Abend mit dem Weihnachtsmann und seinem Leiterwagen voller kleiner Geschenke durch Wasenbruck zogen. Vor jedem Haus wurde ein Weihnachtslied gespielt, „Leise rieselt der Schnee“ oder ähnliches. Die Kinder sangen mit großen Augen und voller Ehrfurcht vor dem Weihnachtsmann mit und bekamen dafür ein Geschenksackerl. Die Eltern bedankten sich bei den Gästen mit selbstangesetztem Nussschnaps oder anderen guten Tropfen.
Nach der Auflösung der „Pschiwi-Kapelle“ um 1970 übernahm Kapellmeister Franz Krenn, der ebenfalls aus Wasenbruck stammte, mit der Hofer Blasmusikkapelle die musikalische Umrahmung der örtlichen Veranstaltungen.
Foto 1: Männersgesangsverein Wasenbruck, 1928 (Sammlung Theobald Grohotolski)
Foto 2: Werkskapelle Wasenbruck, 1933 (Sammlung Theobald Grohotolski)
Foto 3: Wasenbrucker Musikanten, 1936 (Sammlung Theobald Grohotolski)
Foto 4: Maxl Pribil (Pschiwi) mit Orchester (E. Fischer und E. Dlask)
Foto 5: Die Pschiwi-Kapelle (Sammlung Theobald Grohotolski)
Foto 6: Männergesangsverein bei einer Feier von Hutter und Schrantz (E. Fischer und E. Dlask)
Foto 7: Männergesangsverein bei einer Feier von Hutter und Schrantz (E. Fischer und E. Dlask)
Foto 8: Benke-Kapelle aus Mannersdorf (Archiv Karl Trenker, Herkunft von Johannes Kaltner)